Juncker verläßt das sinkende Schiff
Nein, er ist kein echter Kapitän, zumindest nicht für das Schiff mit dem Namen Europäische Union. Die EU ist wohl auch kein richtiges Schiff, sondern möchte sich eher als eine Art Arche Noah verstehen, wobei niemand so recht weiß, welche Arten wovor und durch wen gerettet werden sollen.
Jean-Claude Juncker hätte wissen müssen, daß es bei der EU mehrere Kapitäne und auch mehr als einen Steuermann gibt. Und auch, daß man ihn weder als Kapitän noch als Steuermann angeheuert hatte, sondern eher als Kreuzfahrtdirektor, während ganz andere Leute den Kurs bestimmen – und das eher in Berlin als in Brüssel.
Viele hierzulande haben damals nicht wirklich verstanden, warum sich Juncker auf das Abenteuer Kommissionspräsident eingelassen hat. Es kann ja nicht nur die Verärgerung darüber gewesen sein, daß er bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer ganz offensichtlich von den Sozialdemokraten vorgeführt worden war, die lieber mit den Liberalen und den Grünen kungelten, als die Regierungskoalition mit den Konservativen fortzusetzen. Auch die Tatsache, daß sein großzügiger Umgang mit Geheimnissen des hiesigen Geheimdienstes in die Medien gelangt war, dürfte kein ausreichender Grund dafür gewesen sein, Luxemburg den Rücken zu kehren.
Man könnte mutmaßen, daß Jean-Claude Juncker wirklich so sehr von sich und seiner Wirkung als einer der dienstältesten Regierungspolitiker überzeugt war, daß er sich auch die (vermeintliche) Führung der EU zutraute. Sicher ist, daß die »europäische Einigung« nach Junckers tiefster Überzeugung ein Projekt war, für das es sich die letzten Jahre bis zur Pensionierung aufzuopfern lohnte. Und sicher war er davon überzeugt, daß niemand anderes das so gut meistern könnte wie er.
Daß er mit dem Job nicht immer so richtig glücklich war, konnte man ihm in der letzten Zeit immer öfter ansehen. Wir können das nachvollziehen, denn wem macht es schon wirklich Spaß, solchen Leuten wie dem Premierminister des Kiewer Regimes (10. Februar) die Hand zu schütteln oder dem einst als Kriegsverbrecher gesuchten Präsidenten des Kosovo (9. Februar)? Möglicherweise war der EU-Gipfel auf Malta der Tropfen, der Junckers Faß überlaufen ließ, nachdem es auch dort nicht einmal annähernd gelungen war, ein halbwegs präsentables Ergebnis zu erreichen.
Diese EU ist so kaputt wie ein an 28 Stellen leckgeschlagenes Schiff. Auf der »Titanic« spielte wenigstens noch das Orchester bis zum letzten Moment, bei der EU jedoch laufen alle Beteiligten wie auf einem Hühnerhof durcheinander und versuchen, noch so viele Körnchen wie möglich aufzupicken. Kaum jemand unternimmt ernstzunehmende Versuche, die vielen Lecks zu stopfen. Es ist dafür auch kein Werkzeug vorhanden, denn solche Einschläge wie »Brexit« waren einfach nicht vorgesehen. Jetzt steht auch noch immer drängender die Frage, welcher Exit der nächste sein wird, und welcher der übernächste…
Das Lob der deutschen Kanzlerin kann gar nicht mehr falsch verstanden werden, vor allem nicht, daß es nur wenige Stunden nach der beiläufig erfolgten Ankündigung Junckers veröffentlicht wird.
Jean-Claude Juncker hat sich vor langer Zeit einmal als den »letzten Kommunisten« bezeichnet. Wir wollen hier noch einmal klarstellen, daß er nie eine Mitgliedskarte der KPL besessen hat. Aber vielleicht hätte er wenigstens unsere Zeitung ein wenig gründlicher lesen sollen. Denn wir erklären seit vielen Jahren, daß die EU als Machtinstrument der in der EU herrschenden Klassenkräfte auf Dauer keine Zukunft hat. Auch nicht mit Herrn Juncker als vermeintlichem Steuermann.
Uli Brockmeyer, Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek