22. November 2024

Kein Frieden in Sicht

Es war ein weiterer Beleg für die These, mit den USA und ihrem Kettenhund Israel sei kein gerechter – und damit dauerhafter – Frieden im Nahen Osten zu machen: Mit der gezielten Ermordung von Mohsen Fachrisadeh, dem Leiter der Forschungsabteilung des iranischen Militärministeriums, am vergangenen Freitag sollte die Führung in Teheran zu einer voreiligen Reaktion provoziert werden.

So war es auch Anfang Januar beim Drohnenmord an Kassem Suleimani, einem General der iranischen Revolutionsgarde. Der scheidende USA-Präsident Trump hatte sich bei der Ermordung Suleimanis der von seinem Amtsvorgänger Obama massiv (sowohl zahlenmäßig als auch geographisch) ausgeweiteten Mordmethode bedient, von der mit ziemlicher Sicherheit auch »President-elect« Biden ausgiebig in aller Welt Gebrauch machen wird.

General Suleimani war Washington ein Dorn im Auge, weil er gegen den IS und andere von den USA unterstützte Gotteskrieger und Söldner kämpfte, die Syrien zerschlagen und die Regierung von Präsident Baschar al-Assad durch eine Reihe USA-konformer Lokalfürsten ersetzen sollten. Außerdem befand sich der General gerade im Irak, um die Möglichkeiten eines regionalen Friedensabkommens auszuloten, das im Erfolgsfall die permanente Eskalationsstrategie der USA und Israels wohl ad absurdum geführt hätte.

Der nun mindestens mit der Unterstützung der USA und Israels ermordete Fachrisadeh war übrigens nicht nur Kernphysiker und Hochschullehrer, sondern auch ein Pionier bei der COVID-19-Bekämpfung in seinem Land. Wie der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in einer Trauerrede sagte, spielte der Ermordete unter anderem eine führende Rolle bei der Entwicklung eines iranischen COVID-19-Tests.

Dazu muß man wissen, daß das umfassende Handelsembargo der USA und ihrer Verbündeten gegen den Iran auch sogenannte humanitäre Güter wie Medikamente und medizinische Geräte, selbst solche, die zur Eindämmung des Coronavirus dringend benötigt werden, umfaßt.

Neben Mohsen Fachrisadeh wurden allein im vergangenen Jahrzehnt vier weitere bedeutende iranische Wissenschaftler ermordet, andere wurden bei Mordversuchen verletzt. Wie die Wirtschaftssanktionen dienen auch Mordanschläge auf Forscher dazu, in ihrer Entwicklung gehinderte Länder weiter dran zu hindern, Zugang zu moderner Technik zu erlangen, mit der sich die Produktivkräfte im Land entwickeln und so seine Unabhängigkeit und Souveränität absichern ließe.

Biden hat zwar angekündigt, das von Trump einseitig aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran wiederbeleben zu wollen, hat aber ebenfalls gesagt, er wolle an den Sanktionen gegen das Land festhalten und die Beziehungen der USA zu verbündeten Diktaturen am Arabischen Golf, denen Trump vor den Kopf gestoßen hat, wieder herstellen.

Nachdem die Führung in Teheran nicht in die mit der Ermordung Fachrisadehs gestellte Falle getappt ist, wird ihre bewundernswerte Gelassenheit wohl auch unter einem USA-Präsidenten Biden auf die Probe gestellt werden. Das läßt jedenfalls seine erste Wahl für das Amt des Pentagonchefs, Michèle Flournoy, vermuten. Die hatte schon unter Clinton und Obama Führungspositionen im Pentagon inne, spielte eine wichtige Rolle bei den USA-Kriegen gegen Libyen, Syrien und Afghanistan und sie hat schon mehrere wissenschaftlich verbrämte Kriegsdrohungen gegen den Iran ausgestoßen.

Oliver Wagner

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – Unser Leitartikel: <br/>Kein Frieden in Sicht

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