Vorsicht vor „Extremismus“-Gesetzen
Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA), zum „Antiterror-Paket“ der Bundesregierung
Am vergangenen Mittwoch stellte die Bundesregierung von ÖVP und Grünen ihre Pläne für ein neues „Antiterror-Paket“ vor. Zunächst ist dabei evident, dass die Regierung davon ablenken will, dass bereits mit den bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten der islamistische Terroranschlag vom 2. November in Wien zu verhindern gewesen wäre – dass er durchgeführt werden konnte, liegt im umfassenden Versagen und in der Inkompetenz des Innenministeriums begründet.
Die nun gesetzlich vorgesehene Verfolgung des „religiösen Extremismus“, der, wie durchaus eingestanden wird, lediglich auf den „politischen Islam“ abzielt, war auch schon zuvor möglich, wenn tatsächlich Relevantes vorliegt. Hier wird Symbolpolitik (oder eigentlich: Symbolgesetzgebung) betrieben. Überaus fraglich ist, ob eine derartige Einseitigkeit (siehe Kopftuchverbot) vor dem Verfassungsgerichtshof Bestand haben kann. Aber womöglich täuscht man sich ja, und das neue Gesetz soll doch auch gegen klerikal-faschistische Wiederbetätigung im Sinne des „christlich-sozialen“ Austrofaschismus angewandt werden – vielleicht könnte man dann endlich das Dollfuß-Museum in Niederösterreich dichtmachen, gegen katholisch-fundamentalistische Hetze und das Ansinnen, Gott in der Verfassung zu verankern, vorgehen? Blöd nur, dass das alles irgendwie mit der ÖVP verknüpft ist…
Nachschärfen will die Regierung auch bei illegalen Symbolen – medienwirksam konzentriert man sich herbei auf das Logo der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB). Dieses erinnert optisch zwar an das Symbol der NS-faschistischen SA, ist aber im Wesentlichen ein (eingekreister) griechischer Buchstabe, den man sich noch dazu mit der Homosexuellenbewegung teilt. Es stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage man das Logo einer nicht verbotenen Organisation, wie sie die IB nun mal ist, verbieten will? Man sollte sich aus linker und antifaschistischer Sicht über diesen Plan der Regierung nicht freuen, wie sehr man die IB auch ablehnt und bekämpft – aber dies muss politisch geschehen. Einer Willkürmaßnahme sollte man niemals zustimmten, denn sie öffnet die Tür für die nächsten Willkürschritte, die dann schnell in die andere Richtung gehen werden: Denn man betont in der selbsternannten „politischen Mitte“ ja immer, man wende sich „gegen jeden Extremismus“. Und man muss auch gar nicht darauf warten, bis das anarchistisch-autonome A im Kreis, das historische Logo der Antifaschistischen Aktion oder das rote Eichkatzerl der KPÖ Steiermark verboten wird – die Regierung hat eh schon damit angefangen, wenngleich dies grad ein bisschen untergeht: Neben dem IB-Lamda stehen auch die Symbole der türkischen DHKP‑C auf der aktuellen Abschussliste der Regierung: Ein fünfzackiger Stern sowie Hammer und Sichel. Man sieht, wohin das führt.
Über die ÖVP braucht man sich nicht wundern – über die Grünen aber auch nicht mehr. Seit ihrem Regierungseintritt machen sie bei jeder türkis-schwarzen Schweinerei auf ungenierte und prinzipienlose Weise mit. Jetzt also auch bei einem antimuslimischen de facto-Rassismus, bei vermutlich verfassungswidrigen Gesetzesinszenierungen, bei willkürlichen Verboten ohne Gesamtgrundlage – und bei der Vorbereitung kommender „Totalitarismus-doktrinärer“ Repressionen, die sich gegen die Linke und die revolutionäre Arbeiterbewegung richten werden. Wie die FPÖ, nur ohne Ibiza.
Quelle: Zeitung der Arbeit – Vorsicht vor „Extremismus“-Gesetzen