Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung besser vor Corona-Infektionen schützen
Gemeinsamer Appell von ver.di, Lebenshilfe und des Bundesverbandes Caritas Behindertenhilfe
Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung sowie die in diesen Bereichen Beschäftigten müssen besser vor Corona-Infektionen geschützt werden. Dies fordern die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V. und die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V. in einem gemeinsamen Appell an die Gesundheitsminister des Bundes und der Länder. Zugleich müssten die nötigen Maßnahmen soweit wie möglich mit den Persönlichkeitsrechten der betroffenen Menschen und ihrem Bedürfnis nach sozialen Kontakten in Einklang gebracht werden.
„Die vergangenen Monate haben gezeigt: Pflegebedürftige Menschen sind am stärksten durch die Corona-Pandemie bedroht. In vielen Pflegeeinrichtungen ist die Lage dramatisch. Es müssen endlich alle Register gezogen werden, um hochbetagte, pflegebedürftige Menschen zu schützen. Auch für Pflegebedürftige, die zuhause durch ambulante Pflegedienste versorgt werden, müssen konkrete Schutz-Konzepte entwickelt werden“, erklärte Sylvia Bühler, die im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheits- und Sozialwesen zuständig ist. Sie begrüßte, dass sich dies in der von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Impfstrategie widerspiegle. Doch weitere Maßnahmen seien dringend notwendig. „Kostenlose FFP-2-Masken, Schnelltests und Hygienemaßnahmen können dazu beitragen, eine erneute Isolation von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeeinrichtungen zu verhindern“, so Bühler. „Angesichts der ohnehin dünnen Personaldecke ist der Einsatz von zusätzlichen Pflege- und Hygienefachkräften dafür eine zwingende Voraussetzung.“ Dieses Personal müsse vollständig refinanziert werden. „Bessere Personalschlüssel sind auch nötig, damit potenziell infiziertes Personal in Quarantäne gehen kann, ohne dass die Versorgung zusammenbricht. Kontaktpersonen ersten Grades weiter einzusetzen, gefährdet Beschäftigte und Bewohner gleichermaßen – das ist unverantwortlich.“ Dringend erforderlich sei es zudem, die Beschäftigten umfassend im Umgang mit Covid-19 zu schulen und ihnen Supervisionsangebote zu machen, dies auch in der jeweils erforderlichen Sprache.
Auch Menschen mit Behinderung sind häufig besonderen Risiken ausgesetzt, da sie teils wegen bestehender Vorerkrankungen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe haben. Zudem können sie präventive Maßnahmen wie Abstand halten oft schwieriger umsetzen, da sie häufig auch auf körpernahe Unterstützung durch wechselnde Personen angewiesen sind. Angesichts der einschneidenden Maßnahmen zur Corona-Prävention fordert Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, MdB und Bundesministerin a.D., dass Menschen mit Behinderung an Corona-Entscheidungen beteiligt werden müssen: „Für Menschen mit Behinderung ist ihr Schutz vor Infektionen ebenso wichtig wie ihre Teilhabe und bedarfsgerechte Unterstützung. Daher muss ihre Perspektive gehört werden. Damit die Corona-Maßnahmen ihre besonderen Bedarfe berücksichtigen.“
Johannes Magin, 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie und Abteilungsleiter bei der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg, erklärte: „Die Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe und Psychiatrie haben in der Pandemie bisher die enormen Herausforderungen ohne staatliche finanzielle Unterstützung angenommen, um den gesundheitlichen Schutz von Menschen mit Behinderungen und/oder psychischer Erkrankung sicherzustellen. Wir haben darauf vertraut, dass Bund, Länder und Kommunen uns nicht hängen lassen werden. Nunmehr werden Menschen mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung (z.B. mit Pflegegrad 4) in Einrichtungen der Behindertenhilfe durch die Impfverordnung nicht in die höchste Priorität eingestuft, obwohl sie vergleichbar gefährdet sind. Viele unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind erschöpft. Personalengpässe und unzureichende Schutzschirme gefährden den Schutz insbesondere von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen.“