HDP-Verbotsverfahren eingeleitet, Sorge um Öcalan
Eine Eskalation der Verfolgung von HDP-Abgeordneten, Bürgermeistern und Aktivistinnen und Aktivisten stand auch bisher schon auf der Tagesordnung der türkischen Innenpolitik, tägliche Hetze in staatlichen und staatsnahen Medien inklusive. Die sozialdemokratische HDP ist den Machthabern ein Dorn im Auge, denn sie ist de facto die einzige Oppositionspartei im türkischen Parlament, die in den westlichen Medien immer als „prokurdisch“ bezeichnet wird, sich aber selbst als „Demokratische Partei der Völker“ (Halkların Demokratik Partisi) versteht und bezeichnet. Formell ist zwar auch die sozialdemokratische CHP in Opposition, sie stimmt aber in vielen Fragen mit der Regierung von Präsident Erdogan überein, so etwa auch in der Frage des Überfalls des türkischen Militärs auf Nordsyrien und der Verfolgung der PKK.
Die Generalstaatsanwaltschaft am türkischen Kassationsgerichtshof hat nun vor dem Verfassungsgericht eine Klage für ein Verbot der HDP eingebracht. In der Anklageschrift werden Politikerinnen und Politiker der Partei beschuldigt, „in Wort und Tat für die Zerstörung und Abschaffung der unteilbaren Einheit des Staates und der Nation“ einzutreten. Der Vorstand und die Mitglieder würden einvernehmlich mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK handeln und sich als verlängerter Arm der „Terrororganisation“ betätigen, hieß es in einer Erklärung von Generalstaatsanwalt Bekir Şahin.
Die HDP-Vorsitzenden Pervin Buldan und Mithat Sancar sagten in einer ersten Reaktion: „Die AKP-Regierung hat die Justiz von sich abhängig gemacht und benutzt sie wie einen Schlagstock, um die Politik zu formen. Das Verbotsverfahren gegen unsere Partei ist ein schwerer Schlag gegen die Demokratie und das Rechtswesen des Landes. Diese Regierung wird als Putschregierung in die Geschichte eingehen. Die AKP macht das Verbotsverfahren der MHP zu ihrem Kongress als Geschenk, die Staatsanwaltschaft handelt auf politischen Befehl.“
Sorge um Abdullah Öcalan
Die Kommission für Außenbeziehungen des Kurdistan Nationalkongresses (KNK) fordert unterdessen angesichts der Gerüchte über Abdullah Öcalan den Europarat, die Europäische Kommission und die UN zum sofortigen Handeln auf. Die Unversehrtheit und Freiheit von Abdullah Öcalan seien laut KNK entscheidend für eine Lösung der kurdischen Frage.
In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass am 14. März 2021 von einer Reihe anonymer türkischer digitaler Accounts Gerüchte verbreitet wurden, dass der Vorsitzende der PKK, Abdullah Öcalan, im Gefängnis gestorben sei. „In den letzten 22 Jahren der unmenschlichen Isolation von Herrn Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali haben wir gesehen, dass das Verbreiten solcher Gerüchte Teil der psychologischen Komponente des Krieges des türkischen Staates gegen das kurdische Volk ist“, schreibt der KNK in ihrer Stellungnahme
Die Behauptungen über den Tod von Öcalan wurden kurz vor Newroz, dem kurdischen Neujahrsfest am 21. März, verbreitet. „Newroz, das von den Kurden seit über 2.600 Jahren gefeiert wird, ist ein Fest des Lebens und des Widerstands und hat sich zu einer wichtigen Demonstration der nationalen Identität und des Widerstands gegen Besatzung und Fremdherrschaft entwickelt. Da dieser wichtige Tag näher rückt, sind Kurdinnen und Kurden weltweit in höchster Alarmbereitschaft als Reaktion auf die Gerüchte um Herrn Öcalan“, wird vom KNK betont.
Quelle: anfdeutsch/anfdeutsch/orf.at
Quelle: Zeitung der Arbeit – Türkei: Sorge um Öcalan, HDP-Verbotsverfahren eingeleitet