»Deutschsprachige Fahrer werden nach Frankreich oder Belgien geschickt«
Nach den Gewerkschaften LCGB und OGBL hat auch die Handelskonföderation scharfe Kritik an der jahrelangen Untätigkeit des Sozialversicherungsministeriums und des CCSS (Centre commun de la sécurité sociale) im Umgang mit einer EU-Direktive geübt, die mittlerweile dazu geführt hat, daß hunderte Fahrer, die für in Luxemburg ansässige Güter- oder Personentransportunternehmen arbeiten, aber in der Grenzregion wohnen, aus dem hiesigen System der Sozialversicherungen geflogen sind, weil sie 25 Prozent ihrer Arbeit in ihrem Wohnland verrichten müssen.
In einem am Dienstag verschickten Pressekommuniqué spricht die CLC im Namen ihrer beiden Mitgliedsverbände Groupement des Entrepreneurs de Transports und Fédération des Exploitants d’Autobus et d’Autocars von einem »desaströsen« Umgang mit der EU-Direktive Nr. 883/2004 »zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit« der Mitgliedstaaten, die vor mittlerweile 17 Jahren am 29. April 2004 von EU-Rat und -Parlament verabschiedet wurde.
Die CLC weist darauf hin, daß Zweidrittel der ca. 7.300 Fahrer luxemburgischer Gütertransportunternehmen und fast ein Viertel der 3.750 Busfahrer in einem unserer drei Nachbarländer wohnen. Wegen der geringen Größe des Landes sei es unvermeidlich, daß viele dieser Fahrer einen Großteil ihrer täglichen Arbeit für ein hier ansässiges Unternehmen in ihrem Wohnland verrichten müssen. Im Falle der RGTR-Busse würden die Fahrer sogar im Staatsauftrag über die Grenze geschickt.
Wenn der zuständige Minister Romain Schneider, der es jahrelang versäumt habe, mit den Nachbarländern bilaterale Abkommen zur Umgehung der EU-Verordnung abzuschließen, obwohl das laut ihres Artikels 16 ausdrücklich möglich war und ist, nun erkläre, es seien nur »zwei bis drei Prozent« der im hiesigen Güter- und Personentransport tätigen Fahrer von einem Ausschluß aus der luxemburgischen Sozialversicherung betroffen, dann liege das nur daran, daß die Unternehmen sich schon seit Jahren bemühten, ihre Fahrer aus der Grenzregion möglichst wenig in ihrem Wohnland arbeiten zu lassen, um die 25-Prozent-Grenze nicht zu überschreiten. Das habe jedoch dazu geführt, daß Fahrer, die zuvor jahrelang bis nach Deutschland gefahren sind, mittlerweile nur noch nach Frankreich oder Belgien geschickt werden, obwohl sie Französisch oftmals weder verstehen noch sprechen können.
Diese völlig unnötige, weil »künstlich herbeigeführte Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Fahrer und die Transportunternehmen«, die ja für die anderen Verkehrsteilnehmer nicht ungefährlich ist, sei ausschließlich auf die jahrelange Untätigkeit des Sozialversicherungsministeriums und des CCSS zurückzuführen. An die Regierung erging der Appell der CLC, die Problematik endlich »mit derselben Dringlichkeit« anzugehen, wie bei den ganz zu Beginn der Coronakrise in nur wenigen Tagen zustandegebrachten bilateralen Lösungen für die Telearbeit. Die Regierung müsse »die Interessen der luxemburgischen Schaffenden und Arbeitgeber verteidigen«, und verhindern, daß die Sozialversicherungen Frankreichs, Belgiens oder Deutschlands »die Gelegenheit ergreifen, ihr System mit Beiträgen aus Luxemburg zu alimentieren«. Ein im Großherzogtum ansässiges Transportunternehmen könne nicht überleben, wenn es die hiesigen Tariflöhne bezahlen und dazu noch »quasi dreimal so hohe Sozialversicherungsbeiträge« ins Ausland abführen müsse, schreibt die CLC, auch hätten die Fahrer kein Interesse mehr, weiter in Luxemburg zu arbeiten.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek – »Deutschsprachige Fahrer werden nach Frankreich oder Belgien geschickt«