Autokratie, Krise und Widerstand in Swasiland
Das Königreich Swasiland (Eswatini) liegt im südlichen Afrika, zwischen der Republik Südafrika und Mosambik. Mit 1,2 Millionen Einwohnern und einer Fläche von ca. 17.000 Quadratkilometern entsprechen beide Größenordnungen in etwa jenen der Steiermark. Nach Jahrzehnten als britische Kolonie wurde das Land im Herbst 1968 unabhängig. Mit der demokratischen Entwicklung war es nicht weit her, Swasiland ist die einzige absolutistische Monarchie in Afrika: Seit 1986 sitzt der autokratische König Mswati III. auf dem Thron.
Gesundheitskrise schon vor Corona
Die Corona-Pandemie hat in Swasiland, wie in den meisten afrikanischen Ländern, mit Verspätung Fahrt aufgenommen – nämlich erst im Herbst 2020, als man in Europa bereits in der zweiten Welle war. Zum gegenwärtigen Stand gab es im Land nach offiziellen Angaben ca. 19.000 Infektionen, knapp 700 Erkrankte starben infolge von CoViD-19. Diese Zahlen erscheinen zunächst vergleichsweise gering, allerdings ist mit einer relevanten Dunkelziffer, vor allem in den ländlichen Gebieten und städtischen Armenvierteln zu rechnen. Außerdem bemühen sich die Behörden offenbar gezielt um Vertuschungen. Die Ernsthaftigkeit der Situation wurde insbesondere durch prominente Einzelfälle sichtbar: Swasiland war der erste Staat der Welt, in dem der Regierungschef an einer Corona-Erkrankung verstarb – im Dezember 2020 mussten die Ärzte im südafrikanischen Johannesburg, wohin man Premierminister Ambrose Dlamini vorsichtshalber gebracht hatte, den Kampf um dessen Leben aufgeben. Im Jänner 2021 gab es unter den Ministern Swasilands zwei weitere Todesfälle aufgrund von CoViD-19. Sogar der König war infiziert, wurde jedoch erfolgreich mit taiwanesischen Medikamenten behandelt. Ende März begann man mit den Impfungen, zunächst waren jedoch lediglich 32.000 Dosen des AstraZeneca-Vakzins vorhanden, womit man also nicht viel mehr als ein Prozent der Bevölkerung immunisieren kann – auch in diesem Fall zeigt sich, dass die ärmeren Länder bei der globalen Impfstoffverteilung massiv benachteiligt sind.
Das Gesundheitssystem Swasilands ist freilich nicht nur für eine neue Pandemie nicht gewappnet, sondern schon seit geraumer Zeit am Anschlag. Die staatlichen Ausgaben in diesem Bereich sind mit einem Ausmaß von 6,5 Prozent des BIP in der Region zwar herzeigbar, sinken jedoch seit Jahren und relativieren sich mit dem grundsätzlich niedrigen BIP – in den EU-Ländern liegt diese Quote zumeist über zehn Prozent. Noch deutlicher wird die Problematik bei der medizinischen Versorgung der Bevölkerung: In Swasiland kommen lediglich 0,33 Ärzte auf 1.000 Einwohner – das ist nicht nur weit von entwickelten Standards entfernt (Österreich: 5,17/1.000), sondern fällt auch im Vergleich zum Nachbarn Südafrika um zwei Drittel ab (0,9/1.000). Auch die Anzahl der Spitalsbetten auf 1.000 Einwohner ist mit 2,1 recht niedrig, Österreich kommt auf 7,4, Südafrika auf 2,3. Auf dieser Grundlage – und verbunden mit teilweise schwierigen hygienischen und sanitären Verhältnissen – kämpft das Land regelmäßig mit gefährlichen Krankheiten, darunter Typhus und Malaria. Die größte Bedrohung in Swasiland ist aber eine Seuche, die man in Europa fast schon wieder vergessen hat: AIDS.
In keinem Land der Erde ist der Prozentsatz der HIV-positiven Menschen höher als in Swasiland: 27,4 Prozent der Bevölkerung leben mit dem HI-Virus bzw. mit AIDS, jedes Jahr sterben rund 3.000 Menschen an der Immunschwächekrankheit. Während man in Europa oder Nordamerika AIDS durch Medikamente, Behandlungen und Aufklärung weitgehend unter Kontrolle gebracht hat, ist man in Swasiland weit davon entfernt: Der Prozentsatz bleibt konstant hoch. – All dies schlägt sich in einer weiteren Zahl deutlich nieder: Mit 52 Jahren gehört die Lebenserwartung in Swasiland zu den geringsten der Welt (Südafrika: 65 Jahre, Österreich: 82 Jahre). Demgegenüber beträgt das Medianalter der Einwohner nur 21,7 Jahre – dieses junge Durchschnittsalter hatte immerhin vermutlich eine positive, weil hemmende Wirkung auf die Corona-Ausbreitung in der ersten Jahreshälfte 2020, doch dies ist fast schon wieder eine zynische Betrachtung. Unterm Strich: Es hätte nicht erst das neue SARS-CoV-2-Virus gebraucht, um Swasiland eine massive Gesundheitskrise zu attestieren.
Krisenwirtschaft und imperialistische Abhängigkeit
Dass das Gesundheitssystem in Swasiland gelinde gesagt optimierbar wäre, hängt nicht nur mit der Verschwendungssucht des Königshauses, Korruption und falschen politischen Prioritätensetzungen zusammen, sondern auch mit fehlenden ökonomischen Voraussetzungen. Diese sind natürlich mit dem Erbe des Kolonialismus und imperialistischen Abhängigkeiten verbunden. Lange Zeit war das Land zum Ressourcenlieferanten degradiert, vor allem Eisenerz und Asbest wurden abgebaut – beides ist inzwischen eingestellt. Im Bergbaubereich bleiben noch die Steinkohleförderung sowie kleinere Diamanten- und Goldminen. Die Landwirtschaft ist zu einem relevanten Teil exportorientiert, am wichtigsten sind hierbei der Anbau und die Verarbeitung von Zuckerrohr. Gegenüber diesen großen Monokulturen gerät die Lebensmittelproduktion ins Hintertreffen: Über 60 Prozent der Bevölkerung betreiben im Kleinen agrarische Subsistenzwirtschaft, das heißt, die Menschen säen und ernten nur das, was sie für sich selbst und ihre Familien benötigen. Viele sind auf Lebensmittellieferungen aus dem Ausland angewiesen. Bei einer Arbeitslosenquote von 30 Prozent sowie einer Jugendarbeitslosigkeit von sogar 47 Prozent gibt es wenig Perspektiven – dies führt auch zu einer starken Emigration, vo allem nach Südafrika.
Im Großen lassen sich einige Entwicklungen anhand des Bruttoinlandsproduktes ablesen. Ein Gesamt-BIP von 3,9 Milliarden US-Dollar sowie ein BIP pro Kopf von 3.500 Dollar verortet das Land im ärmsten Viertel aller UNO-Mitgliedstaaten. Zu diesen Zahlen ist freilich zweierlei zu sagen: In der Region sind sie zwar gar nicht so schlecht, doch sind die tatsächlichen Einkommen natürlich nochmals massiv ungleich verteilt: Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung lukrieren 40 Prozent des Volkseinkommens, was sich nochmals differenziert in das im Luxus lebende Königshaus, dessen Günstlinge sowie eine vernetzte Oligarchie und Kompradorenbourgeoisie. Demgegenüber leben 59 Prozent der Einwohner unter der Armutsgrenze. – Die makroökonomischen Tendenzen sind negativ, bereits 2019 waren Krisenerscheinungen erkennbar, die 2020 durchschlugen: Das BIP ging um 3,3 Prozent zurück, für 2021 hofft man, eher unberechtigt, auf ein geringes Wachstum, das diesen Verlust allerdings bei weitem nicht ausgleichen würde. Die Inflationsrate zog von 2019 mit 2,6 Prozent auf 2020 mit 3,9 Prozent an, für 2021 werden sogar 4,5 Prozent erwartet – und dieses jährliche Teuerungsniveau soll sodann bleiben. Für die Bevölkerung bedeutet dies steigende Preise bei sinkenden Einkommen – ein sozialer Teufelskreis des Kapitalismus, jedoch nicht nur in der Krise.
Die wirtschaftliche Abhängigkeit Swasilands bezieht sich nicht nur auf Europa (und zunehmend China und Indien), sondern insbesondere auf das große Nachbarland Südafrika: Rund 90 Prozent aller Exporte gehen dorthin, 80 Prozent aller Importe kommen von dort – bei einer negativen Handelsbilanz. Auch in der Stromversorgung läuft in Swasiland nichts ohne massive Zukäufe aus Südafrika, jede Form von Energieautarkie ist gegenwärtig undenkbar – dies gilt auch für Erdölprodukte sowie wichtige Bereiche der Transportinfrastruktur. Im Gegenzug hat Swasiland neben dem Zuckerrohr nur eine Produktion, die von weitreichender, kontinentaler Bedeutung ist: Als in den 1980er Jahren der Druck auf das südafrikanische Apartheid-Regime immer stärker wurde, übersiedelte die dortige Afrika-Zentrale des US-Konzerns Coca-Cola nach Swasiland. Und so werden bis heute 90 Prozent des gesamten Limonadenkonzentrats für ganz Afrika in dem kleinen Land hergestellt. Diese Produktion macht bis zu 40 Prozent des BIP von Swasiland aus – die Profite wandern letztlich freilich in die USA. Auch dies verstärkt die Abhängigkeit: Der amerikanische Konzern kann Arbeitsbedingungen, Zuckerabnehmerpreise, Lohn- und Sozialstandards beeinflussen sowie gleichzeitig auf staatliche Unterstützung und Steuererleichterungen rechnen.
Kommunistische Partei im Widerstand
Die Kommunistische Partei Swasilands (Communist Party of Swaziland, CPS) wurde im April 2011 gegründet und beging kürzlich also ihren 10. Geburtstag. Natürlich ist sie quasi genauso lang schon verboten, im Prinzip wurden demokratische politische Parteien durch den Absolutismus bereits 1973 abgeschafft. Das bedeutet, die CPS agiert einerseits in der Illegalität, andererseits vom südafrikanischen Exil aus, wo sie im nördlich der Swasi-Grenze liegenden Gebiet von Nkomazi auch ihren offiziellen Hauptsitz unterhält – in dieser Region leben besonders viele Migranten und Flüchtlinge aus Swasiland, die CPS wird aber auch von der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP) unterstützt. Die CPS versteht sich als marxistisch-leninistisch und ist – so wie die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) – Mitglied der „SolidNet“-Gruppe, nimmt also an den Internationalen Treffen der kommunistischen und Arbeiterparteien (IMCWP) teil. Dementsprechend strebt die CPS die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und den Aufbau des Sozialismus-Kommunismus in Swasiland an. Die aktuellen Kämpfe sind freilich noch andere, sie werden u.a. über die von der CPS publizierte Zeitung „Liciniso“ („Die Wahrheit“) verbreitet und organisiert. Das Hauptaugenmerk der CPS gilt zunächst der Demokratiebewegung. Sie orientiert nicht nur auf ein Ende des diktatorischen Absolutismus, sondern will die Monarchie gänzlich abschaffen und durch einen republikanischen Staat ersetzen. Damit verbunden ist der Kampf für Demokratie, legale politische Betätigung, Pressefreiheit, Arbeiterrechte und Frauenrechte – all dies ist in Swasiland nicht gegeben und bildet die nächsten Zielsetzungen des politischen Kampfes.
In Bezug auf die Corona-Pandemie wirft die CPS dem König und seiner Regierung massives Versagen, bewusste Unterlassung sowie sogar systematische Gefährdung vor. Mswati III. sei somit für einen regelrechten „Massenmord“ verantwortlich. Die CPS verweist darauf, dass die offiziellen Infektions- und Todeszahlen deutlich manipuliert werden und in Wirklichkeit wesentlich höher sind – oft werden Ärzte unter Druck gesetzt, lediglich nicht weiter definierte „Atemwegsprobleme“ als Todesursache zu vermerken. Die Krankenhäuser seien personell unterbesetzt, die dort arbeitenden Menschen überlastet und letztlich überfordert. Das ohnedies unterfinanzierte Gesundheitswesen sei bereits kollabiert. Viele Corona-Infizierte können aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht aufgenommen werden, sondern werden wieder nach Hause geschickt – die führt zu einer weiteren Ausweitung der Pandemie, denn ein durchschnittlicher Haushalt in Swasiland besteht aus sieben Personen auf engem Raum. Für die diejenigen Menschen, die behandelt werden, mangelt es an Sauerstoff und Medikamenten, so die CPS. Insgesamt unterstreicht der Umgang mit der Corona-Pandemie die Inkompetenz, Ignoranz und Menschenfeindlichkeit der Mswati-Diktatur, stellen die Kommunistinnen und Kommunisten des Landes fest – der Sturz des monarchischen Absolutismus wird umso dringlicher.
Vor einem Monat hielt die CPS ihren 4. Parteitag ab, freilich wiederum im südafrikanischen Exil. Hierbei wurde Thokozane Kenneth Kunene zum Generalsekretär der Partei gewählt. Als nächste Schritte geht es für die CPS um die Stärkung der eigenen Kader und deren Verbindung mit den Volksmassen, die zum Kampf gegen die Diktatur mobilisiert werden müssen. Gleichzeitig warnt die Partei davor, dass verschiedene Fraktionen der Demokratiebewegung durch imperialistische Staaten und deren Interessen missbraucht und gesteuert werden – die Bevölkerung Swasilands müsse demgegenüber ihren eigenen und selbstständigen Weg der Befreiung gehen, sowohl gegen die Königsdiktatur als auch gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch den Imperialismus. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, dem Land eine Entwicklung auf demokratischer und fortschrittlicher Grundlage zu eröffnen sowie die sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Probleme effektiv zu bekämpfen. Es gilt das Motto der CPS: „Für Freiheit, Demokratie und Sozialismus!“
Quellen: Solidnet (CP of Swaziland) / WKO Länderprofil / CIA Factbook
Quelle: Zeitung der Arbeit – Autokratie, Krise und Widerstand in Swasiland