Gekürzt aus POSITION #6–17, dem Magazin der SDAJ. Zu beziehen im UZ-Shop unter www.uzshop.de,Jahresabo für 10 Euro
Irgendwann zwischen der vierzehnten Notklingel, der Medikamentengabe und Wundversorgung, dem Dokumentieren und Bilanzieren, dem Versorgen, Zuhören und auch mal Schläge abwehren beschleicht wohl jede Pflegekraft im bundesdeutschen Gesundheitssystem das Gefühl für die eigene Arbeit viel zu wenig wertgeschätzt zu werden. Doch was genau bedeutet das? Natürlich und zu Recht wird erwartet, dass Menschen, die im Pflegebereich arbeiten, neben einer medizinisch-fachlichen Qualifikation auch Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen, ihren Bedürfnissen, Leiden und Ängsten mitbringen. Die Geringschätzung gegenüber Pflegekräften beginnt jedoch dort, wo mit dieser verantwortungsvollen Haltung gegenüber HeimbewohnerInnen und Patienten kalkuliert wird, um aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen das vorhandene Pflegepersonal möglichst weit herunterzufahren und so die Beschäftigten an den Rand der Selbstaufgabe, der Überlastung und darüber hinaus zu treiben. Wertschätzung bedeutet, unter Bedingungen arbeiten zu können, die Pflegekräfte nicht vor die Wahl stellen, zwischen der eigenen Gesundheit und der des Patienten wählen zu müssen. Es bedeutet, für ein Arbeitsumfeld einzustehen, in dem ausreichend Personal zur Verfügung steht, um dem Bedürfnis der Patienten nach bestmöglicher Versorgung und dem Recht der Beschäftigten nach Arbeitsbedingungen, die sie selbst nicht krank machen, gerecht zu werden.
Profitlogik am Krankenbett
Immer mehr Belegschaften in Krankenhäusern treten deshalb bundesweit für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingen ein. Zentraler Bestandteil ihrer Forderungen ist dabei der Kampf um mehr Personal auf den Stationen. Mit der immer weiter um sich greifenden Profitorientierung der Krankenhäuser, vor allem natürlich derjenigen in privater Trägerschaft, aber auch darüber hinaus, wurde das Personal zu einem Kostenfaktor, der in den Augen vieler Klinikbetreiber minimiert werden muss. Wenn Krankenhäuser als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge darauf getrimmt werden, für die dahinter stehenden Anteilseigner Profit zu erwirtschaften und wenn sich diese Haltung und Politik der „Schwarzen Zahlen“, die geschrieben werden müssen, auch bei Kliniken in öffentlicher Hand durchsetzt, dann wundert es nicht, wie es zu immer weiteren Einsparungen beim Personal, bei dessen Vergütung und dessen Arbeitsbedingungen kommen konnte. Inzwischen gehört mehr als ein Drittel der Krankenhäuser in Deutschland privaten, profitorientierten Unternehmen, ein weiteres Drittel frei-gemeinnützigen, z. B. kirchlichen, Trägern. Nur noch rund 29 Prozent der Häuser sind in öffentlicher Hand. Wenige Klinikkonzerne, die größten unter ihnen sind Helios und Asklepios, kämpfen um Marktanteile. Sie schicken Berater in jedes ihrer Häuser, die vorschlagen, wo Mitarbeiter entlassen werden können. Während diese Konzerne Profite machen, zwingen sie so auch die öffentlichen Häuser, ähnlich rentabel zu arbeiten, um der Privatisierung zu entgehen. Aus Sicht der Klinikbetreiber ist es da nur natürlich auszuprobieren, mit wie wenig Personal sich Stationen betreiben und Patienten versorgen lassen. Lückenhafte Hygiene und die Ausbreitung von Krankenhauskeimen, weil den Pflegekräften selbst die notwendige Zeit zur Händedesinfektion fehlt, passen da zwar ins Bild, ändern aber nichts an dem Vorgehen der Klinikbetreiber, unter der Losung einer verordneten Rentabilität den Druck auf die Belegschaften zu erhöhen. So bezahlen letztendlich die Beschäftigten und die Patienten mit ihrer Gesundheit dafür, dass Krankenhäuser sich rechnen müssen.
Weiterkämpfen
Das Berliner Beispiel, der engagierte Kampf der Belegschaft für bessere Arbeitsbedingungen machte schnell Schule. Vom Saarland bis nach Düsseldorf, von der Universitätsklinik Gießen-Marburg bis nach Bayern kämpfen aktuell Krankenhausbelegschaften für eine bessere Ausstattung mit Personal, vor allem aber um eine verbindliche Regelung und tarifvertragliche Vereinbarung zur Personalbemessung, also darum, wie viel Personal bei einer bestimmten Anzahl von Patienten vorhanden sein muss. Um ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen und ihre Forderungen durchzusetzen reichen die Aktionen der Beschäftigten von Streikkonferenzen, auf denen die kollektiven Forderungen abgefragt werden, über Fotoaktionen und öffentliche Kundgebungen bis hin zu Warnstreiks und einzelnen Streiktagen. Der Wille der Beschäftigten, sich zum Wohle der Patienten und zu ihrem eigenen nicht für die Interessen der Klinikleitung kaputt zu schuften wird so an immer mehr Kliniken zum Gegenstand der betrieblichen Auseinandersetzung.