Kurz ist weg, Kapitalismus muss weg
Kommentar von Tibor Zenker, Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Bundeskanzler Sebastian Kurz am kommenden Dienstag ein zweites Mal nach Mai 2019 des Amtes enthoben. Dies müsste Bundespräsident Alexander Van der Bellen tun, wenn es zuvor im Nationalrat ein erfolgreiches Misstrauensvotum gegen Kurz gibt. Angesichts der gegenwärtigen Äußerungen von Werner Kogler und anderen Grünen gäbe es lediglich die Alternative, dass Kurz selbst zurücktritt und die ÖVP einen anderen Kanzler nominiert, woraufhin die Koalition fortgesetzt werden könnte. Dazu ist man aber offenbar noch nicht bereit: Die ÖVP-Landeshauptleute, die Obleute der Bünde und die Ministerriege halten Kurz noch die Stange. Trotzdem wird der Zeitpunkt kommen, an dem man Kurz womöglich fallen lassen muss, auch seitens seiner außerpolitischen Förderer und Financiers.
Dass Kurz faktisch schon weg ist – zumindest vorerst –, ist durchaus positiv, denn seine Regierungen markieren eine Abfolge von reaktionärem und asozialem Mist, verbunden mit inszenierter Selbstüberhöhung, dann wieder erstaunlichem Dilettantismus sowie mit frecher Manipulation und mutmaßlicher Korruption. Es ist allemal besser, wenn Kurz und seine türkisen Kumpane aus den staatlichen Machtzentren verschwinden. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob etwas signifikant Besseres nachfolgt. Sollte es doch noch zu einer Fortsetzung der Koalition von ÖVP und Grünen unter einem neuen Kanzler kommen, dann wäre diese „Verbesserung“ eher optischer und emotionaler Natur: Das Regierungsabkommen bliebe aufrecht, die radikalkapitalistische Agenda mit blassem Öko-Anstrich somit ebenfalls. Überhaupt sollte man nicht der Verklärung aufsitzen, dass es eine andere und menschenfreundlichere ÖVP gibt, quasi die „alte“ ÖVP – denn auch diese war die Hauptpartei des österreichischen Kapitals, antisozial, arbeiterfeindlich, imperialistisch und gesellschaftlich reaktionär. Und die ganz alte ÖVP, das ist sowieso die von Engelbert Dollfuß beseelte. So etwas muss man sich nicht zurückwünschen, egal wie sehr man von Kurz und Konsorten angewidert ist.
Die durch die Medien geisternden Regierungslösungen ohne ÖVP sind vermutlich eine Notwendigkeit und zumindest hygienisch nützlich. Die eine Variante ist abermals ein Technokraten- und Beamtenkabinett, wie jenes von Kanzlerin Bierlein im Gefolge des Ibiza-Skandals. Ironischer Weise bietet ein solches das einzige Szenario, wo die viel beschworene Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative real gegeben wäre, doch ansonsten verfügt es über mangelhafte demokratische Legitimation, selbst nach bürgerlichen Ansprüchen, ist jedenfalls nur eine Übergangslösung in Richtung Neuwahlen und außerdem eine indirekte Konzentrationsregierung, da alle Parteien ihre „parteilosen“ Experten unterbringen würden. Es wäre die Verwaltung des Status quo, inklusive der Möglichkeit, dass die Kurz-ÖVP die nächste Nationalratswahl wieder gewinnt – etwas Anderes hat Kurz ja ohnedies nicht gelernt und vorzuweisen, und bis zu seinen vermutlichen Gerichtsverhandlungen hat er auch noch ausreichend Zeit.
Bleibt also die politische „Konzentrationsregierung“ ohne ÖVP, quasi nach israelischem Vorbild, wo es eine sehr „bunte“ Anti-Netanjahu-Koalition gibt, mit rechtsnationalistischen Siedlerparteien, religiösen Gruppen, Liberalen, Sozialdemokraten und sogar einer arabischen Liste: Sie haben sich notwendig zusammengetan, um den ebenfalls mutmaßlich korrupten Kurz-Freund Netanjahu endlich zu entfernen. Dem entspräche eine österreichische Regierung, der Mitglieder der SPÖ, den Grünen, den NEOS und auch der FPÖ angehören, inklusive Möchtegern-Innenminister Kickl. Es ist natürlich fraglich, wie lange so etwas – nach rein internen Kriterien – „gutgehen“ kann oder überhaupt realisierbar ist, zumal nur wenige Tage zur Vorbereitung bleiben. Ein großer Fortschritt wäre damit ohnedies nicht gemacht: Die SPÖ ist die „soziale“ Stütze des österreichischen Kapitalismus, die Grünen haben sich einen Status als prinzipienlose „öko“-neoliberale Partei erarbeitet, die NEOS präsentieren den „sympathischen“ Radikalkapitalismus und die FPÖ ist letzten Endes immer die (verbale) Sturmabteilung des Kapitals, die gleichzeitig den Protest kanalisieren soll. In einer solchen Konstellation wären keine allzu großen Verbesserungen für die Arbeiterklasse zu erwarten, denn auch diese Regierung wäre eine bürgerlich geprägte, die im Dienste der Banken und Konzerne, der Grundherren und der Reichen stünde. Auch dieser Regierung müsste man Klassenkampf „von unten“ entgegensetzen.
Diesen wird man jedoch erst einmal weiter aufbauen und organisieren müssen, denn wie schon die Kurz/Strache-Regierung ist auch die Kurz/Kogler-Regierung nicht aus politischen Gründen gescheitert oder gar von der (außerparlamentarischen) Opposition zu Fall gebracht worden, sondern abermals über einen Selbstfaller gestolpert. Der konsequente, klassenkämpferische Widerstand gegen alle Regierungen des Kapitals – egal in welcher Zusammensetzung –, gegen Ausbeutung und Unterdrückung, gegen Imperialismus und Militarismus, ist noch zu schwach, als dass er ein relevanter Faktor wäre. Hier sind also die nächsten Aufgaben der revolutionären Kräfte in Österreich anzusiedeln: Antikapitalistischer Widerstand und Klassenkampf brauchen Organisierung, wobei die Partei der Arbeit, ebenso wie andere Organisationen, noch erhebliche Arbeit vor sich hat. Am Ende geht es schließlich darum, nicht diese oder jene Regierung zu stürzen, sondern das bürgerlich-kapitalistische System in seiner Gesamtheit – und dieses durch die neue Gesellschaft des Sozialismus-Kommunismus zu ersetzen, wo man für Leute wie Sebastian Kurz sicherlich einen geeigneteren und anständigen Job finden würde.
Quelle: Zeitung der Arbeit – Kurz ist weg, Kapitalismus muss weg