Corona-Krise: Totalschaden des politischen Systems
Kommentar von Otto Bruckner, stellvertretender Vorsitzender der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)
Vor nicht allzu langer Zeit gab es noch einen Bundeskanzler, der uns sagte, die Corona-Krise sei vorbei und nur mehr eine Privatangelegenheit der Ungeimpften. Nicht zum ersten Mal, sondern bereits achtmal, wie die Online-Zeitung zackzack.at nachrechnete, hat die ÖVP die Pandemie für beendet erklärt.
Dieser nunmehrige Ex-Kanzler gehört mit nassen Fetzen davongejagt für diesen unseriösen und unwissenschaftlichen Unsinn. Aber er ist nicht der Einzige. Die derzeit täglich neue Rekordwerte an Neuinfizierten hervorrufende vierte Welle war nach Ansicht ausnahmslos aller seriösen Experten vorhersehbar. Sie hätte mit rechtzeitigen Vorkehrungen wohl nicht verhindert, aber doch bedeutend abgeschwächt werden können.
Die Nicht-Vorbereitungen der Regierung und der Länder auf den Herbst und Winter sind nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie schon als fahrlässig einzustufen. Es handelt sich um eine Pandemie der Herrschenden, wie PdA-Vorsitzender Tibor Zenker vor kurzem in einem ausführlichen Kommentar herausarbeitete. Und denen fällt im Moment alles auf den Kopf, was bisher falsch gemacht wurde. Anstatt die Menschen von Beginn an mit einer positiven und aufklärerischen Kampagne für die Impfung zu mobilisieren, wurde erst gar nichts gemacht, und dann mit Drohungen gearbeitet. Das Ergebnis ist bekannt: Bisher sind noch nicht einmal zwei Drittel der Bevölkerung geimpft und wir sind meilenweit entfernt von der sogenannten Herdenimmunität.
Was sich aber jetzt am vorläufigen Höhepunkt der vierten Welle offenbart, ist ein Totalschaden des politischen Systems. Die Regierung gefällt sich hauptsächlich darin, den Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – bisher nicht geimpft sind, das Leben schwer zu machen.
Regionale Lock-Downs für Ungeimpfte kommen jetzt, als erstes in Oberösterreich. Das wird weder exekutier- noch kontrollierbar sein, oder will Innenminister Nehammer hinter jede Straßenecke einen Polizisten stellen, der das kontrollieren soll? Vollkommener Unsinn, und eine Alibimaßnahme, die nur dazu dient, die Bevölkerung zu spalten. Denn inzwischen ist bekannt, dass eine überstandene Erkrankung nicht unbedingt vor einer Neuinfektion schützt, weil oft zu wenig oder gar keine Antikörper aufgebaut wurden. Ebenso ist eine Impfung kein hundertprozentiger Schutz, wie sich herausstellt, weil die Wirksamkeit individuell sehr unterschiedlich ist und mit der Zeit nachlässt, so dass eine ehebaldigste dritte Impfung forciert werden müsste.
Wirklichen Sinn würde dort, wo es Zutrittsbeschränkungen geben soll, nur eine andere 1‑G-Regel ergeben, nämlich dass ein gültiges PCR-Testzertifikat vorzuweisen ist, egal ob man geimpft ist oder nicht. Dazu müsste das Gratis-Testangebot aber massiv ausgeweitet werden.
In dieser Republik geht es aber längst nicht mehr um das, was von anerkannten Virologen und anderen seriösen Experten als sinnvoll und notwendig erachtet wird. Es geht – und das ist bei der ÖVP am Besten zu beobachten – um alle möglichen Partikularinteressen. Die Landeshauptleute der westlichen Bundesländer haben vor allem ihre Hotel- und Liftkaiser im Genick, der oberösterreichische Landeshauptmann dürfte sich vor seinem Koalitionspartner FPÖ und den Schwurblern von MFG im Landtag fürchten, und Ministerin Elisabeth Köstinger gibt die Schutzpatronin der Fremdenverkehrs- und Agrarindustrie.
In Wien sitzt ein von den Grünen nominierter Gesundheitsminister, der die Verantwortung und die Ermächtigung hätte, klare und dem Ernst der Lage angemessene Verordnungen zu erlassen. Er tut es aber nicht, denn er fürchtet sich offenbar vor dem Koalitionspartner bzw. dessen Landeskaisern.
Der mittlerweile gar nicht mehr so neue Bundeskanzler schwadroniert uns was von nicht ganz so schönen Weihnachtsfeiertagen vor, weil der Pöbel nicht auf ihn hört, und der Innenminister bellt herum, dass er die Einsatzeinheit der Polizei auf die Wienerinnen und Wiener loslassen wird, um die Regeln, die ohnehin kaum jemand durchschaut, zu kontrollieren und die Delinquenten hart abzustrafen.
So wenig wie diese unfähigen, unwilligen und Partikularinteressen verpflichteten Politiker in der Lage sind, das Volk in seiner Gesamtheit vor noch ärgeren Folgen der Pandemie zu schützen, so egal ist ihnen der „Pöbel“.
Das gilt ebenso – und für das weltweite kapitalistische System – für die Klimakrise. Das politische Personal des Kapitals wandelt herum, wie die Kellner auf der Titanic. Alle ihre Bemühungen sind „blablabla“, wie Greta Thunberg treffend feststellte, und die Lösung der existenziellen Probleme der Menschheit wird nur möglich sein, wenn das kapitalistische Profitsystem mitsamt seinem politischen Personal gestürzt wird.
Erst ein politisches System, das nur der den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung dient und die Profit- und Partikularinteressen einiger Weniger mit eiserner Faust in die Schranken weist oder ganz ausschaltet, wird in der Lage sein, grundlegende Änderungen einzuleiten. Dafür gilt es zu kämpfen, hier in Österreich und weltweit.
Quelle: Zeitung der Arbeit – Corona-Krise: Totalschaden des politischen Systems