21. November 2024

Die neue Welt(un)ordnung und die Gefahr eines großen heißen Kriegs

Die klare Verurteilung des russischen Ukraine-Kriegs steht ebenso außer Frage, wie es für den Einmarsch Moskaus und die humanitäre Katastrophe – auch wenn dies maßgeblich von den USA und der NATO heraufbeschworen wurde – keine Rechtfertigung gibt. Allerdings: gerade angesichts der zunehmenden Gefahr eines möglichen großen heißen Kriegs gilt es gleichviel nicht mit den Wölfen zu heulen und den Falken zu fliegen.

Denn so unabdinglich der Kampf für einen Weltfrieden ist, so unerträglich sind gleichzeitig die Heuchelei und doppelten Maßstäbe des Westens und dessen Weg in Richtung eines großen heißen Kriegs.

1999, dem Jahr Putins innenpolitischem Aufstieg zum Präsidenten Russlands, führte der Westen gerade einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Mit einem verheerenden 78-tägigen Bombardement gegen die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) zwang man Belgrad in die Knie und zur Kapitulation. Der Angriff markierte zugleich eine gravierende Zäsur. Es war nicht nur der erste Krieg in Europa nach 1945, sondern darüber hinaus zudem der erste von der NATO entfesselte offene Kriegseinsatz außerhalb ihres sogenannten Bündnisgebiets zur Durchsetzung ihrer „Neuen Welt(un)ordnung“.

Putin etablierte sich im Herbst desselben Jahres dann mit der unter den Vorzeichen eines starken Staates noch von Jelzin mitbefohlenen Entsendung von Truppen nach Tschetschenien zur Stärkung der Zentralmacht Russlands im Rahmen einer „antiterroristischen Operation“ – nicht zuletzt, um mit den Bildern aus Grosnyj die damals beinahe Kopf an Kopf liegende KPRF aus dem Rennen ums Präsidentenamt zu schlagen.

2001 folgte bereits der desaströse 20jährige Kriegsgang gegen Afghanistan, der am Hindukusch ein völlig verwüstetes Land, einen Failed State (wie später im Irak oder Libyen) hinterlassen hat. Parallel mit ihrer Militäroffensive verhängte die USA das Faustrecht über den Globus, das seither Hundertausenden das Leben kostete. Von Sanktionen, gar „noch nie dagewesenen“ oder einem Ausschluss aus dem internationalen Zahlungsdienstleistungssystem SWIFT – noch vor gar nicht allzu langer Zeit als „kommerzielles Äquivalent“ zu „Nuklearwaffen“ firmierend – war freilich nicht einmal der Hauch eines Gedankens. Denn die Opfer des Westens (Länder wie Menschen) sind in dessen notorisch gutem Gewissen und doppeltem Maßstab bestenfalls vernachlässigbare Kollateralschäden seiner Weltherrschaftspolitik.

2003 starteten die USA und ihre „Koalition der Willigen“ dann mit erlogenen und erstunken Begründungen den Feldzug gegen die Irak. Den Kriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak folgten in unterschiedlichen Allianzen sogleich die westlichen Kriegsgänge gegen Libyen und Syrien und gesellten sich US-Militäroperationen in Somalia, Haiti, Uganda, Liberia sowie europäische Militärmissionen in Afrika und im Nahen Osten hinzu.

Die zweitstärkste NATO-Armee, die Türkei, wiederum führt unbeachtet von der Weltöffentlichkeit seit fast einem Jahr – mit grünem Licht seiner NATO-Partner und maßgeblich mitfinanziert durch Deutschland und die EU – Militäroffensiven in Nordsyrien und im Nordirak, erweitert ihren Einflussbereich bis in die erdölreichen Gebiete um Kirkuk im Nordirak und hat ihre Grenzen betreffend die Wiederöffnung der Mossul-Frage aufs Tapet gebracht. Parallel heizte Ankara nach Kräften den seit 2016 wieder aufgeflammten Kaukasus-Konflikt um die Enklave Berg-Karabach an. Frankreichs Truppen tummeln sich derweil im Sahel und konzentrieren sich nach dem gerade erfolgten Rausschmiss aus Mali nach 9 Jahren Kriegseinsatz jetzt vor allem in Niger. Annähernd zeitgleich ist eine deutsche Fregatte in den Indo-Pazifik aufgebrochen, um die USA (zumindest symbolisch) als treuer Vasall in dessen 2011 verkündeter globalstrategischen privot to Asia, sprich: Kampf gegen China, den Rücken zu stärken.

Denn zugleich mit seiner Wende zu Asien hat Washington unter US-Führung den „Kampf der Systeme“ des Westens gegen dessen „systemische Rivalen“ (China und Russland) ausgerufen. Für diesen Kampf gegen ihren zunehmenden Abstieg sowie um die globale Vorherrschaft haben die USA (wie die beiden europäischen NATO-Atommächte Großbritannien und Frankreich) in ihren resp. der NATO-„Verteidigungsdoktrin“ auch eine sogenannte „Vorwärtsverteidigung“ oder „präventive“ Atomwaffen-Erstschläge verankert. Dass dann auch noch der ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine mögliche Aufhebung des Budapester Memorandums ankündigte, welches die Atomwaffenfreiheit der ­Ukraine festlegt, goss freilich nochmals zusätzlich Öl ins Feuer.

Vorerst befindet sich die USA in ihrem neuen Kalten Krieg dabei „noch“ auf der Stufe des Handelskriegs, in riskanten Dauerprovokationen im chinesischen Meer und stimmt auf weltpolitischer Klaviatur gegen die Volksrepublik China über die Angriffsflächen Hongkong, Taiwan, Xinjiang, Macao und Tibet je nach Situation und politischer Lager mal intensiver, mal etwas leiser die Akkorde des Liedes vom Tod an. Daneben betreibt die USA eine Reihe von Umsturzoperationen und „Regime Change“-Versuchen wie in Bolivien, Venezuela, Kuba oder zündelt an der Lunte von Pulverfässern wie im Iran.  

Entsprechend zeichneten die NATO-Staaten von den weltweiten Rüstungsausgaben von zuletzt irrsinnigen fast 2 Billionen Dollar alleine ihrerseits für 1.102 Milliarden oder 56% des globalen Aufrüstungsetats verantwortlich. 301 Milliarden Dollar davon entfielen auf die europäischen NATO-Mächte. Das ist das Fünf- bzw. Achtzehnfache (!) der 61,7 Milliarden Dollar betragenden russischen Militärausgaben.

Das einst 1990 von US-Außenminster James Baker im Katharinensaal des Kremls hoch und heilig abgegebene Versprechen, dass das westliche Militärbündnis seinen Einflussbereich „nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen“ werde, ist mittlerweile im Orkus der Geschichte des Westens versenkt. Die NATO ist zwischenzeitlich auf breiter Front hunderte Kilometer Richtung Moskau bzw. teils bis an die Grenzen Russlands vorgerückt und ist dabei, es immer weiter einzukreisen.

Bereits 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn dem NATO-Pakt bei. 2004 folgten dann die drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen (als erste Staaten auf ehemals sowjetischem Territorium) sowie Bulgarien, Rumänien, Slowenien und die Slowakei. 2009 in einem weiteren Schub Kroatien und Albanien. 2017 Montenegro und zuletzt 2020 Nordmazedonien. Parallel wurde die sogenannte Ost-Partnerschaft (samt militärischem Teil) vorangetrieben, die auf die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien, Moldawien, Aserbaidschan, Armenien und eben auch die Ukraine (sowie zunächst auch Belarus) abzielt.

Der sich zuspitzende Expansionskurs und die beständig voranschreitende NATO-Osterweiterung und Einkreisung Russlands, so der Kreml zurecht, verletzt in der Tat die Sicherheitsinteressen Moskaus und nimmt keinerlei Rücksicht mehr auf das Prinzip der „Unteilbarkeit der Sicherheit“ in Europa, demzufolge kein Land seine eigene Sicherheit auf Kosten der (Sicherheits-)Interessen eines anderen Landes durchsetzen dürfe. Die von Russland vor diesem Hintergrund eingeforderten Sicherheitsgarantien, inklusive eines Verzichts auf einen möglichen NATO-Beitritt Georgiens und der Ukraine zum Schutze seiner Südflanke, wurde vom Militärbündnis jedoch brüsk zurückgewiesen.

Man muss wahrlich kein „Putin-Versteher“ sein oder gar dem Ukraine-Krieg das Wort reden, um hinsichtlich einer möglichen Weltkriegsgefahr nicht in das westliche Geheul der Wölfe einzustimmen und sich am Flug der Falken Washingtons zu beteiligen.

Den katastrophalen Befehl für die russische Militäroffensive und Intervention in die Ukraine erließ Putin. Damit hat Moskau zugleich auch die militärische, geopolitische Eskalationsschraube weiter hochgedreht. Die Hauptgefahr für den globalen Frieden liegt indes weiterhin in der US- und westlichen Globalstrategie ihres unerbittlichen Drangs und Kampfes um ihre hegemoniale Vorherrschaft.

Quelle: KOMintern – Kommunistische Gewerkschaftsinitiative International

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