26. Dezember 2024

Lawrow nach Gespräch mit türkischem Außenminister Cavusoglu

Rede und Antworten des Außenministers Russlands, Sergej Lawrow, nach den Verhandlungen mit dem Außenminister der Republik Türkei, Mevlüt Cavusoglu, Moskau, 16. März 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte meinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu für seinen Besuch in der Russischen Föderation meinen Dank zum Ausdruck bringen. Vor kurzem, am 10. März dieses Jahres hatten wir ein Gespräch in Antalya in der Türkei. Die heutigen Verhandlungen bestätigten, dass wir uns oft treffen und regelmäßig Positionen zu den wichtigsten Fragen unserer bilateralen Tagesordnung, der internationalen Situation, die tiefgehende Veränderungen erlebt, abstimmen.

Wir haben eine hohe Einschätzung für unsere Beziehungen, den Zustand des politischen Dialogs, vor allem zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan gegeben. Wir besprachen die Vorbereitung auf die 9. Sitzung des Kooperationsrats hohen Niveaus, der von den Anführern beider Länder geleitet wird. Seine Session soll diesmal auf dem türkischen Territorium stattfinden.

Die Kontakte zwischen den Parlamenten laufen weiter. Gestern fand ein Telefongespräch zwischen dem Vorsitzenden der Staatsduma der Föderalversammlung der Russischen Föderation, Wladimir Wolodin, und dem Vorsitzenden der Großen Nationalversammlung der Türkei, Mustafa Sentop, statt.

Die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei haben große zunehmende Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Stabilität im regionalen Raum und im breiteren Sinne. Die beiden Seiten sind gekennzeichnet durch die Fähigkeit, optimale Lösungen der entstehenden Probleme auf gegenseitig annehmbarer Grundlage und Suche nach einem Gleichgewicht der Interessen zu finden.

Es wurden positive Bewegungen bei der Entwicklung der handelswirtschaftlichen Verbindungen festgestellt. Im Vergleich zum Jahr 2020 stieg der Handelsumsatz fast um 60 Prozent auf 33 Mrd. Dollar. Wir sind überzeugt, dass die Obergrenze noch lange nicht erreicht ist. Heute besprachen wir Schritte, die es ermöglichen werden, diese Kennzahlen auszubauen.

Es wurde über den Verlauf der Umsetzung strategischer Projekte im Energiebereich gesprochen. Das ist der Bereich, der die Rolle einer Lokomotive in unseren Wirtschaftsbeziehungen spielt. Ich würde daran erinnern, dass im Januar 2020 die Gaspipeline Turkish Stream, die die Energiesicherheit nicht nur der Türkei, sondern auch der Staaten Südostasiens festigen soll, in Betrieb genommen wurde.

Zum 100. Jahrestag der Republik Türkei soll 2023 das erste in der Türkei AKW Akkuyu, das bei russischer Unterstützung gebaut wird, in Betrieb genommen werden. Wir gehen davon aus, dass die Errichtung solchen großen Infrastrukturobjekte eine sichere Energieversorgung der türkischen Verbraucher gewährleisten wird.

Wir schätzten das Zusammenwirken im Kampf gegen Covid-19-Infektion positiv ein. Wir danken den Kollegen für eine umgehende Registrierung des russischen Impfstoffs Sputnik V in der Türkei im April 2021.

Wir sprachen ausführlich über die Situation in und um die Ukraine. Wir betonten erneut, dass das Ziel der Handlungen, die die Russische Föderation macht – der Schutz der Bewohner des Donezbeckens vor einer direkten militärischen Bedrohung seitens des Kiewer Regimes, Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine ist, damit alle Staatsbürger dieses Landes, aller ethnischen Gruppen in Frieden, Einigung und Sicherheit leben können. Wir wissen zu schätzen, dass sich Ankara an einen pragmatischen Kurs hält, ein ausgewogenes Herangehen durchsetzt, darunter sich nicht illegitimen, einseitigen Sanktionen, die gegen die Russische Föderation von den USA und ihren Satelliten eingeführt worden sind, angeschlossen hat.

Wir besprachen konstruktiv auch andere Fragen der internationalen Tagesordnung. Wir stellten fest, dass die Bündelung der Anstrengungen unserer Diplomaten und Militärs die Aufrechterhaltung eines nachhaltigen Waffenstillstandes in solchen Brandherden wie Syrien, Libyen, Bergkarabach real fördert.

Wir haben gegenseitige Ausrichtung auf die Fortsetzung des Zusammenwirkens im Astana-Format zur Förderung der Syrien-Regelung. Das ist ein effektiver Mechanismus der internationalen Ankopplung der Anstrengungen zur Erfüllung der entsprechenden Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats. Wir unterstützen den Vorschlag über die Einberufung eines weiteren dreiseitigen Gipfels der Anführer Russlands, der Türkei und Irans, das für dieses Jahr geplant ist und in Teheran stattfinden soll. Wir werden weiterhin mit allen Seiten arbeiten – der Regierung, Vertretern der Opposition, um einen konstruktiven Charakter der Tätigkeit des Verfassungsausschusses zur Ausarbeitung der Grundlagen des politischen Aufbaus, Grundlagen der Verfassungsreform zu gewährleisten. Die Tätigkeit der Induktionskommission dieses Verfassungsausschusses wird Ende März dieses Jahres wiederaufgenommen. Wir rechnen damit, dass sie einen nachhaltigen Charakter bekommen wird.

Bei der Besprechung der Situation in Transkaukasien betonten wir, dass Ende 2021 bzw. Anfang 2022 die Grundlagen für Postkonflikt-Zusammenwirken in diesem Gebiet der gemeinsamen Nachbarschaft via Mechanismus gelegt wurden, der ein neues Format der konsultativen regionalen 3+3-Plattform ist. Dazu gehören Aserbaidschan, Armenien, Russland, der Iran, die Türkei und Georgien. Tiflis überlegt bislang über den Beitritt zu diesem aussichtsreichen Format, doch wir werden immer bereit sein, georgische Kollegen auf den Sitzungen dieser Struktur zu sehen. Es wurde das erste Treffen der Sondergesandten zur Normalisierung der armenisch-türkischen Beziehungen organisiert. Darüber wird Mevlüt Cavusoglu sicher sprechen. Wir begrüßen den Kurs auf die Normalisierung der bilateralen Verbindungen zwischen zwei Nachbarländern. Unsererseits werden wir zu einer gemeinsamen Arbeit in allen anderen Richtungen bereit sein, die es ermöglichen werden, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern Transkaukasiens zu vertiefen.

Es wurde vereinbart, die regelmäßigen Kontakte aufrechtzuerhalten. Sie haben ihren praktischen Nutzen bestätigt.

Frage (übersetzt aus dem Türkischen): Der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, will ein Treffen der Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Wladimir Selenski, organisieren. Wie können Sie das kommentieren?

Sergej Lawrow: Konkret wurde das heute nicht besprochen. Russlands Präsident Wladimir Putin und andere unsere Vertreter schnitten dieses Thema in Kommentaren und bei der Antwort auf entsprechende Fragen mehrmals an.

Es bestehen keine Hindernisse für die Organisierung eines Gipfels beim Verständnis, dass es nicht ein Treffen wegen Treffen, sondern ein Kontakt der Präsidenten sein wird, bei dem die erreichten Vereinbarungen, die zwischen zwei Delegationen ausgearbeitet werden, festgeschrieben werden. Sie hatten drei Sitzungen in Belarus, jetzt wird im Videokonferenzformat gearbeitet.

Es wurde mehrmals betont, dass die ukrainische Führung eindeutig äußere Effekte, Durchführung von Treffen bevorzugt, damit dann das im Fernsehen gezeigt und diese Nachricht im Internet verbreitet wird. Im Laufe von allen diesen Jahren, als wir versuchten, die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen zu erreichen, förderten ukrainische Anführer (vorherige und unter Wladimir Selenski) gerade solches Herangehen – wollen wir uns treffen, dann wird alles gelöst. Als beim Treffen Vereinbarungen erreicht wurden, wurden sie von ihnen offen sabotiert. So war es mit den Ergebnissen des Pariser Gipfels des Normandie-Formats im Dezember 2019.

Es wurde eine große Lehre aus diesen Manieren der ukrainischen Anführer gezogen. Nun werden wir Treffen vereinbaren, die tatsächlich einen Mehrwert zu allen wichtigsten Fragen haben, die zum jetzigen Konflikt führten.

Frage: Wurden während der Verhandlungen mögliche neue Kontakte zwischen Russland und der Ukraine auf der Ebene der Außenminister unter Vermittlung der Türkei, wie es am 10. März in Antalya der Fall war, besprochen? Wenn ja, gibt es das Verständnis, wann ein solches Treffen stattfinden könnte? Wann kann ein Besuch des Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, in der Türkei zustande kommen?

Sergej Lawrow: Das Thema der neuen Treffen der Außenminister Russlands und der Ukraine unter türkischer Teilnahme wurde nicht besprochen. Nach dem Treffen in Antalya am 10. März wurde von uns allen beim Gespräch mit Journalisten die Meinung zum Ausdruck gebracht, dass es jedenfalls nützlich war, obwohl keine konkreten Ideen von der ukrainischen Seiten entdeckt wurden, die Initiator dieses Treffens war. Wenn Initiativen auftauchen werden, würden wir die Kommunikation in solchem Format gerne fortsetzen. Bei einem Verständnis, dass sie auf das Erreichen eines Mehrwerts gezielt sind.

Was ein Treffen der Präsidenten Russlands und der Türkei, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan betrifft, wurde vereinbart, die Vorbereitung auf die 9. Sitzung des Kooperationsrats des hohen Niveaus fortzusetzen. Sie soll in diesem Jahr in der Türkei stattfinden.

Frage (übersetzt aus dem Türkischen): Wie kann Russland der Türkei bei der Evakuierung der türkischen Staatsbürger aus Mariupol helfen?

Sergej Lawrow: Russland leistete von Anfang an Unterstützung. Wie Mevlüt Cavusoglu sagte, hängt bei weitem nicht alles von uns ab. Humanitäre Korridore wurden auf der dritten Runde der russisch-ukrainischen Verhandlungen in Belarus am 7. März dieses Jahres besprochen. Es wurde Einigung erreicht, wie diese Korridore funktionieren sollen: Die russische Seite schlägt Routen vor, deren Sicherheit von unseren Militärs „auf dem Boden“ garantiert wird, die ukrainische Seite (wenn sie solche Möglichkeiten hat) bietet eigene Routen an, die Einwohner der Ortschaften, für die Korridore verlegt werden, machen eine freie Wahl. Sie können gehen, wohin es für sie bequem ist, wohin sie wollen.

Nachdem am 7. März dieses Jahres eine Vereinbarung erreicht worden war, blockierte die ukrainische Seite in allen diesen Tagen kategorisch jede Austritte auf das russische Territorium. Was das bedeutet: Zum Beispiel in Mariupol rufen unsere Militärs Korridore aus, und die Ukrainer sagen, dass sie die Einwohner in die russische Seite nicht rauslassen werden, ihr Abzug nicht gewährleistet wird. In der russischen Sprache heißt es, dass den Menschen verboten wird, in die Russische Föderation zu gehen. Auf dem ukrainischen Territorium werden von ihren Vertretern keine besonderen Sicherheitsgarantien bereitgestellt.

Unser guter Wille bleibt verkörpert in praktische Angelegenheiten – jeden Tag werden humanitäre Pausen ausgerufen. Es geht darum, dass ukrainische Vertreter (auch in Mariupol, wo Radikale und Neonazis dominieren) damit aufhören, friedliche Staatsbürger, darunter ausländische, als lebendiges Schild und Geisel festzuhalten.

Mevlüt Cavusoglu wird mit dem ukrainischen Kollegen sprechen (sowie ich verstehe, wird es morgen sein). Nach seiner Überzeugung und auf unsere Bitte wird er diese Frage nochmals anschneiden.

Frage: Am Montag wurden wir Augenzeugen einer Tragödie in Donezk. Durch Splitter von „Totschka-U“ wurden mehr als 20 friedliche Einwohner getötet. Westliche Medien haben diesen Vorfall vorwiegend ignoriert. Haben Sie diese Tragödie besprochen?

Sergej Lawrow: Wir haben sie im Kontext des allgemeinen Gesprächs über eine voreingenommene, unanständige Position des Westens bezüglich der Situation in der Ukraine besprochen. Er macht ständig und laut den Fokus auf das internationale humanitäre Recht, die Situation mit friedlichen Bürgern. Er unterstützt jede Fakes, die von der ukrainischen Seite alltäglich, in großer Menge verbreitet werden. Er vertraut jeden Behauptungen der ukrainischen Propaganda, die Foto- und Videobeweise der Gräueltaten des Kiewer Regimes als Handlungen der russischen Militärs darstellt. Er ignoriert die Leiden der friedlichen Bürger in Donezk, Lugansk und anderen Gebieten der Ukraine.

Im Laufe von allen acht Jahren lösten die Verletzung von Minsker Vereinbarungen durch die Ukraine, Bombenangriffe, Beschuss von Kinderheimen und Kindergärten, Krankenhäusern kein Mitgefühl und keine Reaktion im Westen aus. Auch die erwähnte Episode – der Beschuss aus dem System „Totschka-U“ mit Kassettengeschoss im Zentrum von Donezk mit dem sofortigen Tod von 20 Menschen (es gab noch mehr Verletzungen) – löste kein Mitgefühl aus.

Das Höchste, was ich gesehen habe – es wurde die Stelle gezeigt, wo der Geschoss mit der Aufschrift traf, die diese Tat den russischen Militärs zuschreibt. Sie haben angeblich die Ortschaft attackiert, die unter Kontrolle der ukrainischen Armee steht.

In allen Kontakten mit den westlichen Kollegen machen wir auf die Inakzeptanz der eklatanten und unmenschlichen Doppelstandards aufmerksam. Vor einigen Tagen gab es ein Gespräch mit einem europäischen Anführer. Er hörte aufmerksam alles über Donezk und diesen eklatanten Beschuss als Verstoß gegen Normen des humanitären Rechts und sagte: „Ich habe Ihre Version des Geschehenen zur Kenntnis genommen“. Hier sind Kommentare überflüssig. Möge das auf dem Gewissen jener liegen, die die Verbrechen des Kiewer Regimes decken.

Die russischen Militärs sammeln unter Teilnahme der Diplomaten Beweise der Kriegsverbrechen. Wir werden das nicht einfach so stehen lassen.

Quelle: Außenministerium der Russischen Föderation

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