Auf Embargo folgt Plünderung
Die Erdgasversorgung der BRD ist gefährdet. Das liegt zum einen daran, dass die Vorräte in den Gasspeichern nicht annähernd für den Bedarf der nächsten Monate reichen, geschweige denn des nächsten Herbstes und Winters. Trotzdem wird – auf Druck der USA – ein EU-Gasembargo gegenüber Russland ernsthaft in Erwägung gezogen. Auch die Gefahr eines Lieferstopps durch die russische Seite ist real, wenn zum Beispiel deren Forderung nach Zahlung in Rubel missachtet würde. Es ist darüber hinaus eine denkbare Reaktion auf die Lieferung auch schwerer Waffen durch Deutschland an die Ukraine und die Ausbildung ukrainischer Militärs in der BRD.
Warnende Stimmen wie die von Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck werden in den Wind geschlagen. „Wir dürfen keine Signale in Richtung Gasembargo senden, wenn wir wissen, dass wir es nicht durchhalten – und weder wir noch Deutschland werden es durchhalten können“, so Schramböck. Leonhard Birnbaum, der Chef des größten deutschen Netzbetreibers Eon, meint, „wir“ müssten zu jedem Zeitpunkt mit einem Lieferstopp rechnen. „Ob das im Mai sein wird oder im Herbst, ist dabei fast egal“, sagte Birnbaum und warnt davor, dass jedes Land nur an seine eigenen Interessen denke. „Wir sollten tunlichst vermeiden, dass dasselbe passiert wie bei den Corona-Masken.“ Wenn jeder seine eigenen Speicher schone, zum Nachbarn schaue und sehe, dass der auch nichts abgebe, dann „hätten wir plötzlich keinen europäischen Gasmarkt mehr – und die europäische Solidarität wäre dahin“, meint der Eon-Chef. „Die kommenden zwei Winter werden wir es ohne russisches Gas kaum schaffen – es sei denn, zu Lasten unserer Industrie und Wirtschaft. Aber dann haben wir keinen Stahl mehr oder keine Chemieindustrie, die Folgen wären dramatisch.“
Hinsichtlich der ökonomischen Rahmenbedingen eines Lieferstopps – ob nun durch Russland oder durch Europa selbst veranlasst – ist ganz allgemein zu beachten, dass der europäische Gasmarkt nur der Hinterhof des globalen LNG-Marktes (die Abkürzung LNG steht für „Liquefied Natural Gas“ oder auch Flüssigerdgas) ist. Da der asiatische Markt physisch weitaus größer ist, ist der europäische Gasmarkt von der Konjunktur der asiatisch-pazifischen Region abhängig. Die Umleitung von LNG-Strömen aus den USA von Asien nach Europa wird zu einer Verknappung und damit zu einem Anstieg der Gaspreise führen. Die EU wird sich diesen Preiserhöhungen nicht widersetzen können. Selbst astronomische Preis für Strom und Wärme wären hinzunehmen, musste sich doch die EU gegenüber den USA verpflichten, „einen Aufpreis zu bezahlen“, um asiatische Verbraucher zu überbieten, wie zum Beispiel das Forbes-Magazin schreibt. Die Folge wäre ein „wirtschaftlicher Schock“ für die ganze Welt und insbesondere für die Käufer von Erdgas in Asien und in der alten Welt, schreibt der britische „Guardian“.
Aber statt politische Konsequenzen zu ziehen und sich um Entspannung der Konfliktlage zu bemühen, zieht die Bundesregierung es vor, gegenüber der Öffentlichkeit falschen Optimismus auszustrahlen und entschlossenes Handeln vorzutäuschen. Wirtschaftsminister Robert Habeck lässt 150 Stahlpfähle für den rund 370 Meter langen Anleger eines schwimmenden Erdgasterminals in den Schlamm des Wattenmeeres nahe Wilhelmshaven rammen – „in Lichtgeschwindigkeit“, wie Habeck selbst betont. Dieses soll dann acht bis neun Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr umschlagen. Das ist letztendlich – gemessen am Bedarf – eine lächerlich kleine Menge, deren Realisierung obendrein angesichts bisheriger Erfahrungen mit der politischen „Lichtgeschwindigkeit“ bei industriellen Großprojekten in der BRD und angesichts des sich schnell formierenden Widerstands seitens umweltbewusster Bürgerinnen und Bürger sowie Umweltorganisationen gegen das „Hauruckverfahren“ durchaus zweifelhaft erscheinen lässt. Litauen, das über eigene Erfahrungen mit der Errichtung eines LNG-Terminals verfügt, warnt eindringlich davor, die Probleme zu unterschätzen.
US-Präsident Biden und die Seinen können sich derweil zufrieden zurücklehnen. Sie haben die Plünderung Europas erfolgreich auf den Weg gebracht. Ihre eifrigen Vasallen in Deutschland arbeiten wie besessen an der möglichst baldigen und möglichst umfassenden Marktöffnung für den Import des teuren LNG aus den USA. Dabei ist das Tempo dieses Prozesses für die USA im Grunde eher zweitrangig.
Quelle: Unsere Zeit