Kubas Parlament trifft sich zu Marathonsitzung
Kubas Parlament hat vergangenes Wochenende im Rahmen einer dreitägigen „Marathonsitzung“ gleich eine ganze Reihe neuer Maßnahmen auf den Weg gebracht. Insgesamt wurden acht große Gesetzesprojekte verabschiedet, von denen die meisten im Zeichen der 2019 verabschiedeten Verfassung stehen. An einem Text wurde seit zehn Jahren gearbeitet, andere sind erst seit kurzer Zeit in der Mache. Damit konnten einige Kernbereiche des Zeitplans für die Umsetzung der neuen Konstitution auf den Weg gebracht werden. Darüber hinaus wurde beschlossen, die Mitte 2021 eingeführte Zollausnahmen für die private Einfuhr von Medikamenten, Lebensmitteln und Hygieneprodukten bis zum Ende des Jahres zu verlängern. „Cuba heute“ hat die Details…
Rede von Díaz-Canel
In seiner Rede zum Abschluss der mehrtägigen Sitzung am 16. Mai, der auch Raúl Castro beiwohnte, umriss Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel einige Eckpunkte der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung sowie der Regierungsbilanz des ersten Halbjahrs:
- Der erste Sitzungstag des Parlaments wurde mit einer Schweigeminute für die 46 Opfer des schweren Gasunglücks im Hotel Saratoga Anfang des Monats begonnen. Zu Beginn seiner Abschlussrede ging auch Präsident Díaz-Canel auf das Ereignis ein. Er lobte das Engangement vieler Nachbarn, die sich eingebracht hätten, indem sie Einsatzkräfte und freiwillige Helfer vor Ort mit kaltem Wasser und Kaffee versorgten.
- Die aktuellen Zeiten seien „herausfordernd und intensiv“, erklärte Díaz-Canel mit Blick auf die Weltlage, aber Kuba sei gerade in der Meisterung solcher Umstände bestens geübt. „Das wird uns keinesfalls den Sinn für Realismus rauben“, so der Präsident.
- Díaz-Canel ging in seiner Rede auf die Kritik an den Urteilen gegen Teilnehmende der Proteste vom vergangenen 11. Juli ein. In Folge der Proteste kam es zu 710 Anklagen und etwa 200 Verurteilungen, zumeist wegen Störung der öffentlichen Ordnung, Vandalismus und Angriffe auf Behörden. In mehr als 100 Fällen (darunter auch strafmündige Minderjährige ab 16 Jahren) wurden langjährige Haftstrafen zwischen sechs und 30 Jahren verhängt, was von Teilen der Öffentlichkeit als unverhältnismäßig empfunden wurde. Anders als teilweise behauptet worden sei, würde auf Kuba jedoch niemand unter 16 Jahren ins Gefängnis kommen, erklärte Díaz-Canel (für straffällige Minderjährige gibt es auf Kuba Erziehungsinternate und andere schulische Modelle). Zudem seien sämtlichen Angeklagten „die Verfahrensgarantien gewährt worden, welche das kubanische Recht in Übereinstimmung mit der Verfassung vorsieht“, so Díaz-Canel. „Wir sind ein sozialistischer Rechtsstaat, der als solcher eine Existenzberechtigung hat“, betonte das Staatsoberhaupt.
- In Bezug auf die Außenpolitik gab Díaz-Canel erneut den Kampf gegen die US-Wirtschaftsblockade als Priorität aus und hob den jüngsten Freundschaftsbesuch von Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) hervor. Scharfe Worte fand er in Bezug auf den geplanten Ausschluss seines Landes vom Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), welcher „paradoxerweise Treffen der Amerikas genannt wird, obwohl einige Länder daran nicht teilnehmen können“. Die geplanten Ausschlüsse seien offenbar bis zuletzt versucht worden zu verstecken, um die inzwischen öffentliche Kritik aus der Staatsgemeinschaft so lange wie möglich zu vermeiden. Wer sich anschicke ein Treffen der Hemisphäre auszurichten, müsse auch den Mut haben, allen zu- und abweichende Meinungen anzuhören.
- Bei den auf den Sitzungstagen beschlossenen Gesetzen handle es sich um wichtige komplementäre Normen zur Umsetzung der 2019er Verfassung die im Ergebnis einer Aussprache mit „Experten, Fachleuten, Hochschuldozenten und der Bevölkerung“ entstanden seien, sagte Díaz-Canel, der an dieser Stelle bekräftigte, „dass der kubanische Staat auch unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen als wesentliche Ziele die Gewährleistung der tatsächlichen Gleichheit der Rechte und die Erfüllung der in der Verfassung und den Gesetzen verankerten Pflichten beibehalten wird“. Die beschlossenen Gesetze würden „zwar wichtige Fortschritte“ darstellen, seien aber „nicht ausreichend“. „Es ist notwendig, das Niveau der staatsbürgerlichen Bildung und der Rechtskultur weiter anzuheben“, so Díaz-Canel.
- In Bezug auf die Wirtschaft sei geboten, das Angebot sowohl über eine Steigerung der heimischen Produktion, als auch den Außenhandel zu erhöhen. Trotz der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung seien „schnellere Fortschritte bei der makroökonomischen Stabilisierung erforderlich“, sagte Díaz-Canel und nannte dabei die Themenfelder wie die Steigerung der heimischen Produktion, ausländische Investitionen, Substitution von Importen und Schaffung eines effizienteren Investitionsprozesses. Die Prioritäten in diesem Jahr seien: „die graduelle Wiederherstellung des kubanischen Pesos als Herzstück des kubanischen Finanzsystems, die Bekämpung der Inflation, die Absicherung der Stromversorgung, der Schutz vulnerabler Gruppen, Dezentralisierung und Steigerung der Autonomie der Gemeinden sowie die Reform der Staatsunternehmen.“ Dabei werde man, trotz der zahlreichen unmittelbar anstehenden Probleme,“das Vorankommen des Landes nicht aufgeben und die Entwicklung strategischer Planung weiter fortsetzen“.
- Zum Ende seiner Rede richtete Kubas Präsident den Blick nach Washington: Die Vereinigten Staaten würden weiterhin versuchen „Kuba als Beispiel kreativen Widerstands von der Landkarte Amerikas zu tilgen“. Kuba sei jedoch in seiner Widerspänstigkeit sei nicht allein, erklärte er mit Blick auf die Ereignisse um den bevorstehenden OAS-Gipfel. „Es gibt keinen Grund für Bestrafung, Sanktionen und Hass gegen ein edles, liebevolles und fröhliches Volk wie das kubanische. Seit 63 Jahren erleiden sie damit Schiffbruch“, so Díaz-Canel.
Reform von Justiz und Strafvollzug
Mit drei neuen Gesetzen wurde das Justizwesen auf Kuba in Übereinstimmung mit der neuen Verfassung gebracht. Während das neue Strafgesetzbuch insbesondere politisch relevante Straftatbestände verschärft, sind die Rechte Gefangener im Strafvollzug erweitert worden. Zudem wird erstmal seit 1976 eine Verfassungsgerichtsbarkeit eingeführt:
- Neues Strafgesetzbuch („Código Penal“ als PDF): Breiten Raum nahm auf der Sitzung am Sonntag die Debatte über das neue Strafgesetzbuch ein. Dieses wird den bestehenden Kodex aus dem Jahr 1987 ablösen und beinhaltet einige Änderungen. Für die dem Parlament vorgelegte 26. Fassung des Entwurfs wurden 1114 Änderungsvorschläge ausgewertet, von denen 706 angekommen wurden. Die 605 Abgeordneten machten im Verlauf der Debatte 112 Vorschläge, von denen 97 in den Text aufgenommen werden. Mit dem neuen Gesetz werden einige Verstöße härter als bislang bestraft, so z.B. „die missbräuchliche Nutzung der verfassungsmäßigen Rechte, die aktive Beteiligung an subversiven Aktivitäten sowie strafrechtlich relevante Attacken im digitalen Raum“. Die Strafen gegen Korruption werden verschärft, und dabei auch die neuen wirtschaftlichen Akteure mit einbezogen. Themen wie Diskriminiernug, Geschlechtergewalt sowie Verbrechen an Minderjährigen finden stärker Berücksichtung. Die Todesstrafe wird beibehalten und kann bei 23 verschiedenen Delikten zur Anwendung gebracht werden. Die Strafe für das illegale Schlachten von Rindern wurde (außer für Eigentümer derselbigen) verschärft. In der Debatte schlug die Abgeordnete Doraine Linares Jimenez aus Camagüey vor, die Strafmündigkeit in Kuba von 16 auf 18 Jahre anzuheben. Dies wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Grenze in Kuba im internationalen Vergleich schon relativ hoch ausfalle (in Deutschland und Spanien ist man ab 14 strafmündig, in einigen lateinamerikanischen Ländern bereits ab 12). Die Abgeordnete Mariela Castro schlug vor, den Terminus des Femizids in den Código aufzunehmen. Sie wies darauf hin, dass geschlechtsspezifische Gewalttaten, bei denen eine Frau getötet wird, bislang nicht explizit als solche definiert werden. Mehr als ein Viertel der kubanischen Frauen hätten den letzten Erhebungen zu Folge Gewalt in ihrer Partnerschaft erlebt, so Castro. In 18 Ländern Lateinamerikas seien entsprechende Änderungen im Strafgesetz aufgenommen worden, um Frauenmorde besser juristisch erfassen zu können, darunter auch im befreundeten Venezuela. Kubas Oberster Richter Remigio Ferrio entgegnete dem, dass die Gerichte bereits Gender-Strategien und Protokolle etabliert hätten, um solche Delikte gezielt zu erfassen. Die Vorsitzende des Frauenverbands Teresa Amarelle erklärte, dass diese Frage in ihrer Organisation breit debatiert worden sei und man keine Leerstellen dazu in dem Entwurf ausmache. Parlamentspräsident Esteban Lazo gab das Thema zur Abstimmung frei, bei der die Mehrheit gegen Castros Vorschlag votierte. Die Abgeordnete María Armenia Yi Reina, Leiterin der ökumenischen Kirche „Los Amigos“ schlug vor, die Todesstrafe abzuschaffen. Dem erteilte Ferro eine klare Absage: Die Todesstrafe sei in letzter Instanz eine Einrichtung der nationalen Sicherheit und seit mehr als 20 Jahren nicht mehr vollstreckt worden. „Wir hoffen, dass das noch lange Zeit so bleiben wird“, so Ferro.
- Neues Strafvollzugsrecht („Ley de Ejecución Penal“ als PDF): Dieses Gesetz regelt die Rechte inhaftierter Personen gemäß §60 der kubanischen Verfassung. Erste Arbeiten zur Aktualisierung begannen im Jahr 2012, mit der neuen Verfassung von 2019 wurde die Reform wieder aufgenommen. Für die Verbesserung des Entwurfs wurden 333 Vorschläge zusammengetragen, von denen 187 in den Text eingeflossen sind. Von den Abgeordneten kamen 30 Vorschläge, von denen 22 gebilligt wurden. Der auf Reintegration basierende Grundcharakter des kubanischen Strafvollzugs wird beibehalten. Die „erzieherischen, präventiven und Zwangsmittel des Strafvollzugs“ wurden präzisiert. So wird Inhaftierten jetzt der Zugang zu Gerichten gewährleistet, wenn diese mit der disziplinarischen Behandlung nicht einverstanden sind oder ihre Rechte während des Vollzugs verletzt sehen. Bei der Reform des Gesetzes seien die Mindeststandards der Verienten Nationen (Tokio-Regeln) sowie die 2015 verabschiedeten „Nelson-Mandela-Regeln“ berücksichtigt worden.
- Gesetz über die Verfahren zum Schutz der in der Verfassung garantierten Rechte („Ley del Proceso de Amparo de los Derechos Constitucionales“ als PDF): Anders als die frühere Verfassung von 1976 sieht die neue kubanische Konstitution Mechanismen vor, um die in ihr verankerten Rechte und Garantien juristisch einzufordern, also eine Art Verfassungsgericht. Damit werde auf kubanische Rechtstradition zurückgegriffen, in der diese Möglichkeit ab 1901 erstmals auftauchte und mit der Verfassung von 1940 erweitert worden war, der Artikel blieb bis 1973 in Kraft. Der neue Gesetzesentwurf sieht bei Verfassungsverstößen jetzt zwei Instanzen vor: die erste Instanz wird immer auf Ebene des jeweiligen obersten Provinzgerichts sein, die nächste und letzte beim obersten Gerichtshof. Klagen gegen höhere Staatsorgane landen direkt beim obersten Gerichtshof. Die Verfahren sollen zügig ablaufen und beiden Parteien die Möglichkeit geben vor Gericht ihre Position darzulegen sowie auf verschiedene Weise geltend zu machen. Nicht eingeklagt werden können Themen, die mit der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung zu tun haben. Des weiteren können keine Verfassungsrechte einer Person auf Kosten einer anderen erweitert werden. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze obliegt weiterhin ausschließlich dem Parlament. Laut dem Abgeordneten José Luis Toledo Santander, der eine führende Rolle bei der Ausarbeitung der neuen Verfassung einnahm, werde mit dem Gesetz ein wichtiger Schritt in Richtung eines sozialistischen Rechtsstaats gegangen „der sich nicht nur auf die Erklärung der in der Verfassung verankerten Rechte beschränkt, sondern den Bürgern auch rechtliche Mittel ihrer Durchsetzung an die Hand gibt, sollten diese von der Verwaltung verletzt oder ignoriert werden“, so Toledo.
Die Lage der Wirtschaft
Wirtschaftsminister Alejandro Gil gab auf der Sitzungen einen Überblick über den Stand der Wirtschaft und die Umsetzung der laufenden Reformen:
- Nachdem Kuba 2021 als drittes Rezessionsjahr in Folge schließen musste, hat mittlerweile hat eine „graduelle Erholung“ der Wirtschaft eingesetzt, so Gil, der den Abgeordneten aktuelle Daten aus dem ersten Quartal vorlegte: Die Warenexporte lagen wertmäßig bei 590 Mio. US-Dollar, ein Plus von 162 Millionen im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr. Die Deviseneinnahmen betrugen rund 493 Millionen US-Dollar, die Importe sind auf 2,39 Mrd. US-Dollar gestiegen.
- Die im letzten Jahr begonnene Landwirtschaftsreform (auch bekannt als „das 63-Maßnahmen-Paket“) zeigt erste positive Ergebnisse: So konnte die Produktion von Knollenfrüchten und Gemüse zulegen, was sich auch in einem breiteren Angebot auf den Märkten zeige. Dort würden sich die Preise „feststellbar, aber unzureichend“ zu stabilisieren beginnen.
- Die Verkäufe der staatlichen Unternehmen lagen im ersten Quartal neun Prozent über dem Plan. „Das bedeutet jedoch nicht, dass wir effizienter oder produktiver geworden sind“, so Gil, der weiter ausführte: 533 Unternehmen (30 Prozent aller Staatsbetriebe) meldeten Gewinne von 50 Prozent über dem Plan. „Das ist ein Zeichen dafür, dass etwas schief läuft“, erklärte der Minister. Konkret könnte dies bedeuten, dass die Betriebe ihre im Rahmen der Unternehmensreform vergrößerte Autonomie nutzen, um sich über Preissteigerungen schneller zu refinanzieren. Auf der anderen Seite gibt es derzeit 411 Unternehmen mit Verlusten. Die schrittweise Abschaffung der zentralen Lohntabellen, mit der die Personal- und Lohnpolitik auf Betriebsebene verlagert wird, wurde bereits in 314 Unternehmen eingeführt.
- Der einsetzende Aufschwung sei ein „Prozess voller Herausforderungen“, der im Kontext „steigender Weltmarktpreise und den internen Widersprüchen unserer Wirtschaft“ ablaufe. Wesentliche Probleme seien aus Sicht des Ministeriums aktuell die Verfügbarkeit von Treibstoff und Devisen, steigende Preise für Lebensmittelimporte, das makroökonomische Ungleichgewicht, die Entwicklung unterschiedlicher Wechelkursbedingungen für staatliche und private Akteure sowie die Verschlechterung der Kaufkraft der Löhne und die Inflation.
- Trotz dieser Probleme werde alles dafür getan, die Grundversorgung über das monatliche Bezugsheft „Libreta“ aufrechtzuerhalten und einige Preise für Basisgüter (von Lebensmitteln über Transport bis hin zum Internet) stabil zu halten. Der Kampf gegen die Inflation könne jedoch nicht über dekretierte Preissenkungen und staatliche Subventionen, sondern nur über eine Wiederherstellung der Kaufkraft des Pesos durch eine Ausweitung des Angebots gewonnen werden.
- In Folge der Deviseknappheit kann der Staat den offiziellen Wechselkurs von 1:24 seit der Währungsreform vom 1. Januar 2021 nicht mehr bedienen, weshalb ein paralleler Markt für Devisen entstanden ist. Dort wird ein US-Dollar aktuell für rund 115 Pesos gehandelt. Im Februar machten mehrere kubanische Ökonomen Vorschläge, wie das Problem angegangen werden kann. Jetzt kündigte Gil an, welchen Weg die Regierung beschreiten will: Mit den jetzt langsam wieder steigenden Deviseneinnahmen soll ein „sekundärer Devisenzuteilungskreislauf“ entstehen, in welchem Fremdwährung zu einem Kurs verkauft wird, der zwischen den offiziellen 1:24 und dem informellen liegt (also vermutlich im Bereich 50-70:1). Zugang zu diesem dritten Wechselkurs werden nationale Produzenten erhalten, die ihre Produkte über staatliche Märkte in Pesos absetzen. Dafür sollen auch Privatbetriebe ihre Produkte an staatliche Supermärkte liefern können. „Damit schaffen wir die Voraussetzungen für einen späteren Devisenmarkt für die Bevölkerung“, so Gil.
- Im Vorfeld der Sitzung gab Kubas Vize-Wirtschaftsministerin Yohana Odriozola den Abgeordneten ein Update zur Gründung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU): Bis zum 9. Mai wurden 3292 KMU auf Kuba genehmigt, davon sind 3191 Privatbetriebe, 51 staatlich und 50 Kooperativen. Sie zählen rund 55.000 Beschäftigte. 70 Prozent seien Kleine und Kleinstbetriebe, welche die Angestelltenobergrenze von 100 nicht ausreizen. „Hierbei handelt es sich um Betriebe mit eher lokalem Bezug, die weniger komplexen Tätigkeiten nachgehen“, so Odriozola. 58 Prozent verteilen sich auf die Sektoren Baugewerbe, Gastronomie, IT sowie Fahrzeug- und Gerätereparatur, rund ein Viertel (26,5 Prozent) der KMU sind in der herstellenden Industrie angesiedelt. Bei 117 handelt es sich um Lokalentwicklungsprojekte. Landesweit gibt es derzeit nur noch eine Gemeinde ohne mindestens ein KMU. Darüber hinaus werden derzeit 8000 Selbstständige (Cuentapropistas) mit mehr als drei Angestellten gezählt, welche dieses Jahr die neue Rechtsform annehmen werden. Eine Analyse von 35 KMU durch eine Parlamentskomission brachte folgendes Ergebnis: Positiv hervorgehoben wurde der schnelle und digitalisierte Gehmigungsprozess sowie die Vorteile der neuen Rechtsfigur, welche in etwa einer deutschen GmbH entspricht. Als Hauptproblem wurde das Fehlen eines Mechanismus zum Erwerb von Devisen genannt. Darüber hinaus wurde der weiterhin ausstehende rechtliche Rahmen für die Zusammenarbeit mit ausländischen Investoren sowie die negative Haltung vieler Staatsbetriebe beim Abschluss von Verträgen und der Vermietung von Immobilien bemängelt.
Weitere Gesetze
- Ausblick auf das Familiengesetz („Código Familiar“ als PDF): Kubas neues Familiengesetz wurde im Rahmen einer Volksaussprache kontrovers diskutiert. Jetzt wurden deren vorläufige Ergebnisse vorgestellt. So haben mehr als sechs Millionen Personen an der Debatte teilgenommen, bei der über 434.000 Vorschläge zusammen kamen. Laut Angaben der zuständigen Komission sprachen sich 61,9 Prozent für die Reform des Familienrechts aus, welche unter anderem die Einführung der „Ehe für alle“ vorsieht. Das sind etwas mehr als die 54 Prozent, welche noch im März als Zwischenstand gemeldet wurden. Derzeit arbeit die zuständige Redaktion an der Überarbeitung des Texts, über den das Parlament im Juni abstimmen wird. Anschließend folgt ein öffentliches Referendum.
- Gesetz über Ernährungssouveränität sowie die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit („Ley de Soberanía Alimentaria y Seguridad Alimentaria y Nutricional“ als PDF): Regelt die Funktion der lokalen Lebensmittelproduktion und Ernährungssysteme gemäß §77 und 78 der Verfassung mit dem Ziel einer „gesunden und adäquaten Ernährung“. Ziel ist es, rechtliche Leerstellen auf dem Gebiet auszuräumen und die Rolle von Wissenschaft und Innovation zu steigern. Um dies zu erreichen werden die übergreifenden Kompetenzen verschiedener Staatsorganismen in dem Bereich der Lebensmittelproduktion mit dem Gesetz definiert.
- Gesetz über Persönliche Daten („Ley de Datos Personales“ als PDF): Erstes kubanisches Gesetz zu dem Thema. Legt den Besitz an den eigenen Daten für Privatpersonen fest und regelt die daraus folgenden Rechte und Pflichten. Beinhaltet Aspekte wie Übertragung persönlicher Daten oder Auskunftspflicht von Behörden.
- Gesetz über das System der natürlichen Ressourcen und der Umwelt („Ley del Sistema de los Recursos Naturales y del Medio Ambiente“ als PDF): Setzt das verfassungsmäßig verankerte Recht auf eine gesunde Umwelt und die von Kuba hierzu unterzeichneten internationalen Verträge um. Beinhaltet Aspekte der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Themen wie Luftqualität, Müllmanagement, Umweltbildung, Regeneration von Böden und Anpassung an den Klimawandel werden darin geregelt.
- Neues Urheberrecht („Ley de los Derechos del Autor y del Artista Intérprete“ als PDF): Seit 1977 wurde das Urheberrecht auf Kuba keiner weitreichenden Reform mehr unterzogen. Erstmals werden nun auch Interpreten in den Autorenrechten berücksichtigt und Vergütungsrechte eingeführt. Zudem wurde der Begriff des geistigen Eigentums auch auf digitale Medien und Softwareprodukte erweitert. „Dieses Gesetz wurde von den Schriftstellern und Künstlern des Landes dringend gefordert. Es beschränkt sich dabei nicht nur nur auf das künstlerische und literarische Schaffen, sondern deckt auch die wissenschaftliche Literatur und den akademischen Bereich ab“, erklärte Kubas Kulturminister Alpidio Alfonso.
- Gesetz zum Schutz des kulturellen und des Naturerbes („Ley General de Protección al Patrimonio Cultural y al Patrimonio Natural“ als PDF): Neue, zeitgemäßere Regelungen zum Schutz historischer Stätten, des materiellen wie immateriellen kulturellen Erbe des Landes sowie von Naturerbestätten. Beinhaltet Aspekte wie die Einbeziehung der Bevölkerung in entsprechende Projekte sowie einen aktuellen Rahmen für die Verwaltung nationaler Monumente.
Quelle: Cuba heute