21. November 2024

Abschaffung der Quarantäne: Alles für die Wirtschaft, nichts für die Gesundheit?

Mit dem Verordnungsentwurf zur sogenannten „Verkehrsbeschränkung“ schafft die Bundesregierung die Quarantäne für Corona-Infizierte ab. Das bedeutet: Man muss ab 1.August, trotz dem man positiv getestet wurde und hoch ansteckend ist, arbeiten gehen. Neben der großen Gefahr der Infizierung der ArbeitskollegInnen, KundInnen oder KlientInnen wirft diese neue Situation zahlreiche neue arbeitsrechtliche Fragen auf.

Obwohl monatelang Zeit war, sinnvolle Regelungen auszuarbeiten, wird nun wieder mit einem Schnellschuss die Last auf die Beschäftigten abgewälzt, mit dem einen Ziel: Die Wirtschaft und damit die Profitmaschinerei am Laufen zu halten, auch wenn die Infektionszahlen wieder massiv steigen.

Dazu die AK: „So ist weitestgehend unklar, ab wann infizierte Personen nun zu Hause bleiben können. Ab wann nämlich Ärzte eine Krankmeldung für Corona-Infizierte ausstellen können, ist umstritten. Nach dem Auslaufen der Sonderbetreuungszeit Anfang Juli geraten Arbeitnehmer:innen zudem unter Druck, wenn sie positiv getestete aber symptomlose Kinder zu Hause betreuen müssen, weil diese vom Besuch der Kinderbetreuungseinrichtung ausgeschlossen sind. Ähnlich verhält es sich mit der Frage, welche konkreten Ansprüche nun Arbeitnehmer:innen haben, in deren Betrieb infizierte KollegInnen aufhältig sind.

Mangels klarer Vorgaben für Betriebe, wie Arbeitsstätten in diesen Fällen zu gestalten sind, sieht AK Experte Phil Brokes großes Konfliktpotenzial: „Arbeitnehmer:innen erwarten einen sicheren Arbeitsplatz. Haben sie selbst Vorerkrankungen oder sind in einem Großraumbüro tätig, sind sie ganz besonders darauf angewiesen, dass ihr Arbeitgeber seiner Schutzpflicht nachkommt, wenn er Covid-Positive einsetzen möchte. Tut er das nicht, führt die Verunsicherung zu Konflikten innerhalb der Belegschaft, die in niemandes Interesse sein können“. Einmal mehr betont die Arbeiterkammer, dass die Maßnahmen keine Aufweichung des Krankenstandes bewirken dürfen: „Wer sich krank fühlt, hat sich zu schonen und darf nicht in den Betrieb zitiert werden“, so Brokes.

Um Infektionen und daraus erwachsende Haftungsfälle zu vermeiden und sicheres Arbeiten zu ermöglichen, ist die Bundesregierung gefordert, klare und nachvollziehbare Rahmenbedingungen zu schaffen und die sehr allgemein formulierte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers beim bevorstehenden Wegfall der Quarantäne zu konkretisieren.

Ob positiv getestete Arbeitnehmer:innen aus Angst, ihre Kolleg:innen anzustecken, nun zu Hause bleiben dürfen, inwieweit ein Arbeitgeber seine Belegschaft informieren muss, dass Covid-Positive im Betrieb aufhältig sind und wie verkehrsbeschränkte Personen etwa regelmäßig trinken sollen, obwohl sie ihre Maske gar nicht abnehmen dürfen, ist alles immer noch ungeklärt.

Corona-FAQ

Die Gewerkschaft GPA hat die wichtigsten Fragen zu den neuen Corona-Regelungen zusammengefasst:

Was gilt am 1.8.2022?

Grundlage ist die COVID-19-Verkehrsbeschränkungsverordnung. Unter der Voraussetzung des dauerhaften Tragens einer FFP2-Maske dürfen ArbeitnehmerInnen, die mit SARS Cov-2 infiziert sind, auch ausnahmslos arbeiten gehen.
ACHTUNG: vorgeschrieben ist in diesem Zusammenhang erstmals, dass die Maske korrekt (insbesondere vollständige Bedeckung von Mund und Nase, regelmäßiges Wechseln der Maske) zu tragen ist.

Die Verkehrsbeschränkungen gelten bereits ab einem positiven Antigentest, dem binnen 48 Stunden ein PCR-Test folgen muss. Sie enden:

  • wenn der PCR-Test nach positivem Antigentest negativ ist; • wenn man sich freitestet (negativer PCR-Test oder CT-Wert ≥30), was frühestens am fünften Tag nach dem Zeitpunkt der ersten positiven Probenahme durchgeführt werden darf; • nach zehn Tagen ab dem Zeitpunkt der ersten positiven Probenahme.

Wer darf den Arbeitsort nicht betreten?

  1. Infizierte Personen, die aus anerkannten Ausnahmegründen von der FFP2-Maskenpflicht befreit sind (aus gesundheitlichen Gründen, aus Gründen einer Schwangerschaft); 2. Infizierte Personen, denen das Tragen einer FFP2-Maske bei der Arbeitserbringung unmöglich ist: zB LogopädistInnen, MusikerInnen.

In diesen Fällen kann gearbeitet werden, wenn sonstige geeignete organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen getroffen werden können. ACHTUNG: Als sonstige geeignete organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen kommen etwa Home-Office oder Einzelbüros in Betracht; Trennwände oder das Bilden von festen Teams sind iZm infizierten Personen nicht als geeignete Schutzmaßnahmen anzusehen.

Wer muss keinesfalls zur Arbeit kommen/bereitstehen?

Infizierte Personen, die Symptome mit Krankheitswert haben (Krankschreibung wegen Arbeitsunfähigkeit).

Kann der/die ArbeitgeberIn verlangen, dass der/die infizierte ArbeitnehmerIn zur Arbeit erscheint? Hat der/die ArbeitnehmerIn ein Widerspruchsrecht?

Selbstverständlich müssen krankgeschriebene ArbeitnehmerInnen weder zur Arbeit kommen noch daheim Arbeitsleistungen erbringen. Ansonsten gelten infizierte, nicht krankgeschriebene ArbeitnehmerInnen, die durchgehend FFP2-Maske tragen können, als arbeitsfähig.

Ob infizierte ArbeitnehmerInnen sich weigern können, an den Arbeitsort zu kommen, wird im Einzelfall beurteilt werden müssen. Besteht die Gefahr, KollegInnen oder KundInnen/PatientInnen trotz FFP2-Maske anzustecken? Einen 100%-igen Schutz bietet die FFP2-Maske ja nicht. Ob diese Gefahr besteht, hängt von den betrieblichen Räumlichkeiten, den Schutzmaßnahmen, der Tätigkeit, usw ab. ACHTUNG: Einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen, könnte zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.
Zu prüfen ist auch die Zumutbarkeit (das durchgehende Tragen einer FFP2-Maske ist gesundheitlich belastend, insbesondere wenn man vielleicht leichtere Symptome (Schnupfen, Husten) hat). Hinzu kommt, dass streng genommen die Kantine zwar besucht, aber dort nichts konsumiert werden kann. Wer in keinem Einzelbüro sitzt, darf nicht einmal etwas trinken, weil dafür die Maske abgenommen werden müsste. Auch hier ist nach den Umständen des Einzelfalles abzuwägen.

Dort, wo es gültige Home-Office-Vereinbarungen gibt, sollte auf Wunsch des/der infizierten Arbeitnehmer(s)In jedenfalls Home-Office ermöglicht werden.

ArbeitgeberInnen wären ohnedies gut beraten, auf die Erbringung der Arbeitsleistung durch infizierte MitarbeiterInnen am Arbeitsort zu verzichten. Sie schulden nicht infizierten ArbeitnehmerInnen aufgrund der Fürsorgepflicht bestmöglichen Schutz vor Ansteckung; infizierte ArbeitnehmerInnen arbeiten zu lassen, wird die Fürsorgepflicht häufig verletzen.

Dort, wo es gültige Home-Office-Vereinbarungen gibt, sollte generell im Home-Office gearbeitet werden. Einerseits erleichtert Home-Office dem/der infizierten ArbeitnehmerIn die Arbeit (daheim muss keine FFP2-Maske getragen werden, solange keine haushaltsfremden Personen anwesend sind), andererseits werden Kollegen und Kolleginnen geschützt.

Müssen infizierte ArbeitnehmerInnen am Arbeitsort durchgehend FFP2-Maske tragen?

Ja (außer im Einzelbüro oder in Settings, in denen nur infizierte Personen anwesend sind – es sei denn, dort gälte schon aufgrund der Tätigkeit FFP2-Maskenpflicht wie zB in Krankenhäusern).
Wenn das Tragen einer FFP2-Maske nicht möglich ist, darf die Arbeit nicht angetreten werden. Dort, wo es gültige Home-Office-Vereinbarungen gibt, kann in diesem Fall Home-Office vereinbart werden. Dort, wo Home-Office nicht möglich ist, behält der/die infizierte ArbeitnehmerIn den Entgeltanspruch, der/die ArbeitgeberIn kann sich regressieren (§ 32 EpiG).
Ob das Angebot eines Einzelbüros reicht, ist fraglich. Wer aus gesundheitlichen Gründen keine FFP2-Maske tragen darf, könnte zwar im Einzelbüro ohne Maske arbeiten, aber wie kommt er/sie dorthin?

Kann der/die ArbeitgeberIn infizierten ArbeitnehmerInnen verbieten, an den Arbeitsort zu kommen?

Ja, allerdings muss das Entgelt auch dann fortgezahlt werden, wenn Home-Office nicht möglich oder mangels vertraglicher Grundlage auch nicht zulässig ist.

Muss der/die infizierte ArbeitnehmerIn am Arbeitsplatz in Kauf nehmen, in anderen Räumlichkeiten als gewöhnlich untergebracht zu werden, nämlich zusammen mit anderen Infizierten?

Eine heikle Sache!
Die Verordnung sieht diese Absonderung zwar als eine taugliche Schutzmaßnahme an, allerdings muss der provisorische Arbeitsplatz allen arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorgaben entsprechen. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass infizierte ArbeitnehmerInnen durch räumliche Absonderung nicht stigmatisiert werden.
Häufig wird das nicht zu vermeiden sein, weswegen wir eine solche Maßnahme äußerst kritisch sehen.
Außerdem gibt es datenschutzrechtliche Bedenken, weil KollegInnen erfahren, welche ArbeitnehmerInnen im Betrieb zurzeit infiziert sind (Gesundheitsdaten, an sich vertraulich).
Dort, wo es gültige Home-Office-Vereinbarungen gibt, sollte Home-Office die Lösung sein.

Müssen nicht infizierte MitarbeiterInnen ebenfalls durchgehend eine FFP2-Maske tragen, wenn der/die ArbeitgeberIn das anordnet?

Eine derartige Vorgabe durch den/die ArbeitgeberIn wäre überschießend.
Es ist Aufgabe des/der Arbeitgeber(s)In, für eine räumliche Trennung der infizierten und nicht infizierten MitarbeiterInnen und andere organisatorische und betriebliche Schutzmaßnahmen (zB Home-Office) zu sorgen.
Ein generelles FFP2-Maskengebot im Betrieb wäre eine gesundheitlich belastende Lösung auf dem Rücken der (gesunden) ArbeitnehmerInnen, um es dem/der ArbeitgeberIn in Sachen Fürsorgepflicht leicht zu machen.
Was der/die ArbeitgeberIn tun kann, ist, eine FFP2-Masken-Empfehlung auszusprechen.

Können ArbeitnehmerInnen, wenn sie sich vor Ansteckung durch infizierte KollegInnen fürchten, verweigern, am Arbeitsort zu arbeiten?

Für Risikopersonen soll die derzeit ausgesetzte Freistellungsmöglichkeit ab 1.8.2022 wieder gelten.
Allerdings kann eine Ansteckung mit SARS Cov-2 auch bei anderen Personen zu einer schweren Erkrankung und Long-Covid führen. Der/die ArbeitgeberIn trifft eine Fürsorgepflicht.
Besorgten ArbeitnehmerInnen sollte dort, wo Home-Office möglich und zulässig ist, die Arbeit im Home-Office ermöglicht werden.

Dort, wo Home-Office unmöglich oder nicht zulässig ist (keine vertragliche Grundlage), werden die besorgten ArbeitnehmerInnen wohl dann daheimbleiben können, wenn die Ansteckungsgefahr am Arbeitsort durch die Anwesenheit infizierter MitarbeiterInnen tatsächlich erhöht ist. Einen 100%-igen Schutz bietet die FFP2-Maske ja nicht.

Das Entgelt ist ihnen fortzuzahlen.
Ob die Ansteckungsgefahr hinreichend gebannt ist, hängt u.a. von den Räumlichkeiten, den Schutzmaßnahmen, der Tätigkeit, usw ab, sodass im Einzelfall geprüft werden muss. Wesentlich wird auch sein, ob der/die besorgte ArbeitnehmerIn möglicherweise Vorerkrankungen hat oder schon älter ist. Besondere Rücksicht wird auch auf schwangere ArbeitnehmerInnen genommen werden müssen, die keinen Freistellungsanspruch haben.
Einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen, könnte allerdings zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen. Daher bitte im Einzelfall rechtliche Beratung einholen.

Was kann der Betriebsrat tun?

Folgende Betriebsvereinbarungen empfehlen sich:

  • Ordnungsvorschriften: erzwingbare Betriebsvereinbarung! • Rahmen-Betriebsvereinbarung Home-Office: freiwillige Betriebsvereinbarung!

Quelle: KOMintern

KomIntern