28. Dezember 2024

Wer wird die Zeche bezahlen?

Was viele während der vergangenen Monate an ihrem Geldbeutel bemerkten, wenn sie ihre Einkäufe machten, wurde diese Woche vom Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien sozusagen amtlich bestätigt: Die Inflation steigt weiter an und kümmert sich nicht um die Glaskugeln der EU-Zentralbank und sonstiger »Experten«, die um die Stabilität der bestehenden Ausbeuterverhältnisse bemüht sind.

Seiner neuesten Prognose zufolge erwartet das Statec für 2022 eine Inflationsrate von 6,6 Prozent, und für 2023 eine solche von 5,3 Prozent. Gründe für diesen Inflationsschub gibt es viele, angefangen bei den Spannungen in den internationalen Lieferketten, über die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, bis hin zum Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland, der die seit einem Jahr erfolgte Explosion der Energiepreise weiter antreibt. Da nicht abzusehen ist, dass diese Begleitumstände kurzfristig aus der Welt geschafft sein werden, muss davon ausgegangen werden, dass die Inflation noch länger Zeit hoch bleiben wird.

Angesichts dieser Entwicklung wird die Frage zu beantworten sein, wer die Folgen dafür tragen und die Zeche bezahlen wird.

Im März dieses Jahres wurde die Frage dahingehend beantwortet, dass die Schaffenden für eine Krise bezahlen mussten, welche sie nicht verschuldet hatten, indem ihre Löhne nicht an die Preisentwicklung angepasst wurden, und die versprochenen »Kompensationen« – abgesehen davon, dass sie aus dem Staatssäckel bezahlt wurden – weit davon entfernt waren, den Kaufkraftverlust aufzuwiegen.

 Weil die Regierung und die Chamber beschlossen, die Indextranche vom 1. Juli 2022 bis zum 1. April 2023 auszusetzen, spart das Kapital Hunderte von Millionen an Lohnmasse. Es ist ein Beispiel dafür, wie die Umverteilung von unten nach oben, von den Lohnabhängigen zu den Kapitalisten, funktioniert.

Möglich war das nur, weil die Gewerkschaftsführungen von LCGB und CGFP – statt sich der konsequenten Haltung des OGBL anzuschließen und Solidarität mit ihren eigenen Mitgliedern zu üben, sich auf die Seite des Kapitals und der Regierung schlugen, wie das von »Sozialpartnern« erwartet wird, die fiktive »nationale Interessen« vor die Verteidigung der Interessen der Schaffenden stellen.

Die Umverteilung, wie sie mit dem Indexklau erfolgte, macht gerade deutlich, dass wir nicht alle »in einem Boot sitzen«, sondern dass es im real existierenden Klassenkampf um knallharte Interessen geht, unabhängig davon, dass man hierzulande die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit nicht so benennen darf, weil das im Gegensatz zur Verschleierungstaktik der Ideologie der Sozialpartnerschaft steht.

Da in diesem Jahr eine zweite Indextranche erfallen wird, und im kommenden Jahr weitere Indextranchen, wird darüber zu entscheiden sein, ob sie ausbezahlt, zeitlich versetzt oder ganz unter den Tisch fallen werden. Und die Frage wird zu beantworten sein, ob die Regierung sich weiter mit Händen und Füßen dagegen wehren wird, die Steuertabelle an die Inflation anzupassen und zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um dem wachsenden Kaufkraftverlust entgegenzuwirken.

So viel steht allerdings schon heute fest: Ein weiterer Rückgang der Kaufkraft, unabhängig davon, unter welchem »intelligenten« Mäntelchen er daherkommen sollte, wird nur zu verhindern sein, wenn die Schaffenden und ihre Organisationen bereit sein werden, sich dagegen solidarisch zu wehren – mit einem Generalstreik, wenn es sein muss.

Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek

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