18. September 2024

Prof. Dr. Alfred Oppolzer zu “Ein König in New York” (1957) von Carlie Chaplin, Hamburg, 10.7.24

International Solidarisch – Schluss mit Austerität!, 11. Juli 2024:

Freiluftkino gegen Austerität: „Ein König in New York“ (GB 1957) von Charlie Chaplin
Mittwoch, 10.7.24, im Kokoschka-Hörsaal im Philosophenturm Hamburg
Einführung: Dr. Alfred Oppolzer, Professor i. R. für Industrie- und Betriebssoziologie an Hochschule für Wirtschaft und Politik sowie Fachbereich Sozialökonomie der Uni Hamburg

Die Geschichte lehrt: eine objektiv notwendig gewordene, gesellschaftliche Veränderung lässt sich auch durch schärfste Repressionen nicht auf Dauer unterdrücken. Wenn es jedoch darum geht, eine zutiefst krisenhafte Ungleichheitsordnung gegen zivile Entwicklung, soziale Progression und kulturelle Emanzipation zu verteidigen, gehören die Methoden des Antikommunismus nach wie vor zu den Herrschaftsinstrumenten der Wahl. Die personalisierte Verbreitung von Schauermärchen, öffentlichen Diffamierungen und gezielter Hetze, die bis zur Lynchjustiz führen kann, zielt auf die Marginalisierung gerade der entschiedensten Verfechter:innen einer humanen Gesellschaftsentwicklung. Sie richtet sich zugleich gegen jegliche Form des Nonkonformismus und des aufgeklärt-fortschrittlichen Denkens und Handelns und tritt – auch wenn sie gern im Namen von „Freedom and Democracy“ daherkommt – selbst elementare demokratische und rechtsstaatliche Errungenschaften mit Füßen. Paradigmatisch für eine solche Phase der paranoiden Restauration war die McCarthy-Ära in den USA der 1950er-Jahre. Nur durch das widerständige Engagement der organisierten Arbeiter:innen-, Bürgerrechts-, Friedens- und Studierendenbewegung und das mutige Eingreifen aufrechter Intellektueller, Künstler:innen und Kirchenleute war es möglich, die gefährliche Rechtsdrift der Gesellschaft zu überwinden.

Einer der Akteure dieses Aufbegehrens war der durch die Verleumdungskampagnen selbst aus dem Land vertriebene Charlie Chaplin.

Zurück in Großbritannien drehte er 1957 „Ein König in New York“ – eine hochaktuelle, bissig-satirische Abrechnung mit dem „American Way of Life“ McCarthy’scher Prägung.

Hauptfigur des Films ist König Shadov von Estrovien (gespielt von Chaplin selbst). Nach einer Revolution in seinem Heimatland flieht er in die USA. Im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ wird er festlich begrüßt, logiert im Hotel Ritz und verkehrt in den höchsten Kreisen. Als sich jedoch sein Premierminister mit dem Staatsschatz aus dem Staub macht und niemand sich für seine Pläne zur friedlichen Nutzung der Atomkraft zu interessieren scheint, muss er – um Geld zu verdienen – in die Avancen der omnipräsenten Werbeindustrie einwilligen, die aus ihm einen gewinnbringenden Medienstar macht. Während die Welt des „schönen Scheins“ mitsamt ihren – sogar operativ geglätteten – Charaktermasken ihn zunehmend abstößt, entdeckt er beim Wohltätigkeitsbesuch einer Knabenschule seine Sympathie für den aufmüpfigen Rupert, der ihm Karl Marx lesend darlegt, warum es im Monopolkapitalismus keine Freiheit geben kann. Obwohl er den Jungen für einen Naseweis hält, nimmt er ihn bei sich auf, als dieser in eine Notlage gerät. Wie sich herausstellt, sind dessen Eltern eingesperrt worden, weil sie sich – als Kommunisten verdächtigt – geweigert haben, vor einem Untersuchungsausschuss andere als Kommunisten zu denunzieren. Shadovs Umgang mit Rupert lässt in den Augen der Behörden auch das Interesse des Königs an der Atomkraft in „neuem Licht“ erscheinen. So gerät Seine Majestät selbst unter Verdacht, Kommunist zu sein und wird vor das Tribunal zitiert. Durch eine Verkettung glücklicher Umstände kommt er frei. Da er jedoch durch Rupert erkennen muss, welches Leid diese Gesellschaft gerade den freundlichsten Menschen zufügt, verlässt er schließlich desillusioniert das Land, das mit Freiheit und Demokratie so viel zu tun hat wie Werbefilme mit tatsächlicher Lebensfreude.

Chaplins wie üblich mit einzigartig-humoristischem Geschick in Szene gesetzter Film ist kein expliziter Aufruf zum organisierten Klassenkampf. Aber mit seiner feinsinnigen Beobachtungsgabe, seiner zutiefst menschenfreundlichen Kritik an jeglicher Form des Konformismus und seiner vitalen Sympathie für die Unterdrückten dieser Welt gelingt dem weltbekannten Großmeister des Slapstick in diesem Werk eine ästhetisch-künstlerische Aussage von enormer gesellschaftlicher Aktualität:

Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat sind ohne beherztes Engagement für soziale Gleichheit nicht zu haben. Das ist die lebendig gemachte, notwendige Möglichkeit, die es akut zu verwirklichen gilt.

Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

„Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.“
Thomas Mann, „Schicksal und Aufgabe“, 1944.

www.schluss-mit-austeritaet.de

Auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=pScN4SoRx00